Lesenswert:Schaurige Idylle

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Ganz klar: Dieser Wald hat seine Geheimnisse. Hier der Blick nahe Lalling im Landkreis Deggendorf. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Leonhard F. Seidl hat zehn Kurzkrimis in der Anthologie "Tatort Bayerischer Wald" versammelt - eine abwechslungsreiche Lektüre.

Von Sabine Reithmaier

Es müssen nicht immer Menschen sein, die in Krimis ermordet werden. In Tanja Kinkels "Neulich in Bodenmais" ist ein Habichtskauz das Opfer eines unbekannten Killers. Ausgerechnet ein Weibchen, dessen Junge im Nest am Verhungern sind - keine günstige Ausgangslage für den Besitzer des Gemüsebeets, in dem die tote große Eule entdeckt wird. Der Nationalpark-Ranger und die Polizistin sprühen nur so vor Verachtung.

Zehn Kurzkrimis hat Leonhard F. Seidl in der Anthologie "Tatort Bayerischer Wald" versammelt. Eine amüsante Lektüre, besonders für all diejenigen, die dort Urlaub machen. Natürlich wandert man mit einem ganz anderen Gefühl über das Blockmeer auf den Lusengipfel zu, wenn man zuvor Friederike Schmöes "Auf der Himmelsleiter" gelesen hat. Darin sinnt eine Frau über ihre wenig angenehmen Kindheitserinnerungen an diesen Berg nach und rechnet mit ihrer grausamen Schwester ab. Auch im Straubinger Gäubodenmuseum, dessen Besuch übrigens unbedingt empfehlenswert ist, benimmt man sich in den abgedunkelten Räumen mit dem Römerschatz lieber unauffällig, um nur ja nicht einem der drei Besuchertypen zugeordnet zu werden, die in Leonhard Michael Seidls Geschichte "Blind date" Museumsaufseher Siggi Kornprobst immer so nerven. Er mag weder Plauderer noch Lateiner noch Nörgler, hat aber doch täglich mit ihnen zu tun.

Der Kriminalfall von Herausgeber Seidl spielt parallel an zwei Orten: in Deggendorf und in einem Wildniscamp am Falkenstein. Ein entführter bayerischer Umweltminister gerät während eines Hochwassers in eine ziemlich missliche Situation. Ihm steht, wie schon der Titel ankündigt, das Wasser bis zum Hals; die Forderung seiner Entführer, die Klimaziele von Paris einzuhalten, ist eben auch nicht so leicht zu erfüllen. Reichlich nass und klamm ist auch das Teambuilding am Großen Arbersee, das im Mittelpunkt von Roland Sprangers Kurzgeschichte "Personalanpassung" steht. Nachtwanderungen im Nebel eignen sich dort anscheinend gut dazu, ungeliebte Kollegen zu eliminieren. Andreas Thamm wiederum lässt in Zwiesel eine Journalistin einen Mord an einem bloggenden, dauerprotestierenden und damit jede Menge Leute nervenden Hippie aufklären.

Zwei Geschichten spielen jenseits der Grenze

Zwei Geschichten spielen jenseits der bayerischen Grenze in Tschechien. Elmar Tannert sucht im Böhmerwald mithilfe einer reichlich angetrunkenen Feuerwehr nach einem vermissten Mädchen. Sein Held, ein tschechischer Polizist, klärt übrigens, beschwingt von etlichen Bieren, nicht nur schnell und locker auf, er besitzt zudem die wunderbare Fähigkeit, Polizeiarbeit in Lyrik zu verwandeln. Auch Tessa Korbers "Goldmarie" spielt in Tschechien, genauer in einer Kunstgalerie in Kašperské Hory, in der plötzlich eine weibliche Leiche auftaucht.

Manche der Autoren lassen sich zu ihren Geschichten auch von authentischen Kriminalfällen anregen. Martin von Arndt verarbeitet die Pfeilmorde, die sich 2019 in Passau ereigneten, in einer kaltblütigen Geschichte zu einem scheinbar rituellen Suizid. Tommie Goerz spürt den Menschen und Häusern nach, die in den frühen Siebzigerjahren dem Eixendorfer Stausee (Landkreis Schwandorf) weichen mussten. Zehn ganz unterschiedliche Kriminalfälle also, die diese abwechslungsreiche, amüsante Anthologie birgt. Zu lesen ist sie freilich am besten im Bayerischen Wald.

Leonhard F. Seidl (Hrsg.): Tatort Bayerischer Wald. Zehn Kurzkrimis. Ars Vivendi , 200 S., Preis: 14 Euro.

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