Werksviertel:Neuer Münchner Konzertsaal - versteckt in der Enge der Fabrikbauten

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Die Konzertsaal-Debatte hat ein Ende: Das neue Haus wird im Werksviertel gebaut. (Foto: Robert Haas)

Das Gelände am Ostbahnhof, auf dem der neue Konzertsaal gebaut werden soll, ist städtebaulich die schlechteste der avisierten Lösungen.

Kommentar von Gottfried Knapp

Blickt man zurück auf die lange Geschichte der Planungen für einen neuen Konzertsaal in München, dann kommt einem das Ganze vor wie eine Abfolge von Versuchen, das Kulturprojekt politisch zu verhindern. Das fing schon vor Jahren an.

Als der Wettbewerb für einen Konzertsaal hinter dem Marstall, also in schlüssiger Nähe zu den Theatern und Konzertsälen der Residenz, entschieden war, brachte die bayerische Kulturbehörde zum Schutz ihres dort beheimateten Theaters ein Gutachten des japanischen Akustikers Yasuhisa Toyota in Stellung: Angeblich wurde darin behauptet, ein Konzertsaal dieser Größe an dieser Stelle könne keine gute Akustik haben.

Dieses Gutachten ist der Öffentlichkeit stets strikt vorenthalten worden. Niemand, der von Raumverhältnissen etwas versteht, hat je in das angebliche Schriftstück Einblick nehmen dürfen. Akustik-Spezialisten vermuten, dass Toyota über den geplanten Saal, der fast exakt die Maße des viel gerühmten Luzerner Konzertsaals gehabt hätte, in Wahrheit ganz anders geurteilt hat. Doch die von den Behörden verbreitete, angeblich dringende Warnung aus Fernost erstickte alle lokalen Initiativen am Marstall.

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Seit 15 Jahren werden Pläne diskutiert und verworfen

Einige Zeit später ist der schöne Vorschlag, den Konzertsaal am Rand des Finanzgartens zu platzieren, von den Zuständigen auf ganz ähnliche Weise zerredet worden, ohne dass die Gutachten dazu richtig befragt worden sind. Seit fast 15 Jahren werden in München Vorschläge für ein zweites Musikzentrum diskutiert, doch eine schnelle Realisierung ist seit dem Marstall-Eklat immer unwahrscheinlicher geworden.

So ist zu begreifen, dass Ministerpräsident Horst Seehofer beim leidigen Thema Konzerthaus endlich zu einem erträglichen Ergebnis kommen will. Er dürfte sich noch an die Totalpleite erinnern, die er erlebt hat, als er mit dem Münchner Oberbürgermeister den Vorschlag machte, statt eines teuren Konzertsaal-Neubaus die Philharmonie im Gasteig umzubauen, diese also ohne Ersatz für Jahre zu schließen.

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Nach endlosen Standort-Überlegungen sind zwei der gemachten Vorschläge in die Endrunde zugelassen worden. Sie verlegen das musikalische Geschehen aus der Kernstadt hinaus in die Industrie- und Gewerbezonen, die sich entlang der Bahntrassen entwickelt haben. Beide Standorte sind also gut an das S-Bahn-Netz angeschlossen. Doch die Entwicklungsmöglichkeiten sind extrem unterschiedlich.

Der Raum, der unter dem einzigartig weit gespannten Gewölbewunder der Paketposthalle zur Verfügung gestanden hätte, würde für drei unterschiedlich große Konzertsäle, ein geräumiges Foyer, gastronomische Betriebe, Übungsräume und Tonstudios ausreichen. Und auf den benachbarten, noch unbeplanten Flächen entlang der Bahn hätte, wie in Paris, eine Cité de la Musique mit Hochschule, Bibliothek, Wohnungen und Hotels errichtet werden können. Doch dieser schöne Traum wäre nur in Erfüllung gegangen, wenn man beim Planen die Zeit gehabt hätte, die seit den ersten Konzertsaal-Überlegungen vertrödelt worden ist.

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In den Plänen gibt es viele Eventualitäten

Nun also soll der neue Konzertsaal in aller Eile auf dem chaotisch dicht bebauten Gelände der ehemaligen Pfanni-Werke direkt hinter dem Ostbahnhof errichtet werden. Das Konzerthaus wird dort also quasi Untermieter bei den Pop-Veranstaltungshallen werden, die vom Kunstpark Ost übrig bleiben sollen. Doch das eigentliche Problem dieses Standorts ist nicht die Nähe zu den lärmenden Aktivitäten der umliegenden Spielstätten und Kneipen.

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Es sind vielmehr die Enge des zwischen Fabrikbauten und Straße zur Verfügung stehenden Baugrunds, das Verstecktsein im nur von einer Seite zugänglichen Werksviertel und die miserable Anbindung an den städtischen Raum. Aus der Innenstadt und dem Stadtviertel Haidhausen führen nur eine schrecklich befahrene Straßenunterführung und der enge Quertunnel unter den Bahnsteigen des Ostbahnhofs hinüber in die Industriezone, in der niemand wohnt.

Man mag sich gar nicht vorstellen, wie 1800 Besucher nach einem Konzert auf die trostlose Grafinger Straße strömen und dort das Loch suchen, das sie in die Stadt zurückbringt. Auch an einen zweiten Saal und an Proberäume, wie sie von den Orchestern seit Jahren gefordert werden, ist hier kaum zu denken. Und ob sich die Geräusche der hier unterirdisch verlaufenden U-Bahn-Strecke wirksam wegdämmen lassen, ist noch keineswegs geklärt. Egal also, wie gut der geplante Konzertsaal wirklich wird - stadträumlich ist die Pfanni-Lösung die schlechteste von allen bisher anvisierten.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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