Beschluss der Staatsregierung:Was Sie über den neuen Münchner Konzertsaal wissen müssen

Beschluss der Staatsregierung: Der Standort des neuen Konzertsaals heute.

Der Standort des neuen Konzertsaals heute.

(Foto: Robert Haas)

Von den Kosten bis zum ersten geplanten Konzert: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Neubau im Werksviertel.

Von Christian Krügel, Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl

Fast 15 Jahre lange diskutierten Stadt und Land über den richtigen Standort für ein neues Münchner Konzerthaus. Wenn nach so langer Zeit mit dem Votum für das Werksviertel die Sache nun entschieden ist, greift mancher schon gern zum Superlativ. Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) etwa schwärmt schon von "klassischer Musik auf Weltniveau", BR-Intendant Ulrich Wilhelm erwartet im Werksviertel eine "einzigartige Verbindung von Lebensqualität, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und kultureller Strahlkraft".

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) spricht von einem "guten Tag für die Stadt München", BR-Chefdirigent Mariss Jansons hofft auf einen "fantastischen Konzertsaal in vielversprechender Umgebung". Und Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionschef im Landtag, wird mit Blick auf den Standort so richtig pathetisch: "Die Musikmetropole sprengt ihre Fesseln und entledigt sich ihrer Ketten." In der Euphorie wird freilich vergessen, dass noch jede Menge Fragen zu beantworten sind.

Wann wird im neuen Saal das erste Konzert stattfinden?

Im Jahr 2021 - wenn alles reibungslos läuft und die Gutachter von Speer und Partner recht haben. Deutlich eher - wenn es nach Horst Seehofer geht. Er drückte am Dienstag noch einmal aufs Tempo: "Ich sehe nicht ein, warum ein Bebauungsplan erst 2017 fertig sein sollte. Dafür fehlt mir jedes Verständnis. In Deutschland mag das so sein, aber nicht in Bayern", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Ein idealer Ablauf im Sinne Seehofers wäre wohl: Bis Sommer 2016 sind alle Verhandlungen abgeschlossen und die Bebauungspläne geändert, der Architektenwettbewerb beginnt, 2018 macht er noch als Ministerpräsident den ersten Spatenstich. Die Gutachter sehen den aber eher erst im Jahr 2019. Und wie lange Planung und Bau wirklich dauern, ist kaum kalkulierbar. Der Lenkungsausschuss der Staatsregierung verweist auf vergleichbare Neubauten in Europa und warnt: All das könnte "zum Teil deutlich längere Zeitfenster" beanspruchen.

Was wird das Projekt kosten?

Das wird erst nach einem Architektenwettbewerb genau zu sagen sein. In der CSU-Landtagsfraktion stellt man sich auf Baukosten zwischen 200 und 300 Millionen Euro ein und verweist auf andere Philharmonien in Europa. Das Konzerthaus in Katowice kostete aber nur 70 Millionen. Fest steht, was der Baugrund im Werksviertel den Steuerzahler kosten dürfte. Besitzer Werner Eckart will das Areal nicht verkaufen, sondern nur in Erbpacht dem Freistaat überlassen.

Das lässt er sich auch gut entlohnen: Der Pfanni-Erbe möchte für das gut 8000 Quadratmeter große Areal, auf dem 15 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstehen sollen, einen Erbpachtzins von 4,9 Prozent des Bodenwertes. Macht einen jährlichen Pachtzins von fast 600 000 Euro, über 50 Jahre gerechnet also 30 Millionen Euro. Endgültig ausverhandelt sei das aber noch nicht, heißt es von beiden Seiten.

Wer baut das Konzerthaus?

Der Freistaat wird selbst Bauherr sein. Die Lenkungsgruppe sieht nämlich keine nennenswerten Vorteile darin, private Investoren mit ins Boot zu holen.

Wer bezahlt?

Den überwiegenden Anteil die Steuerzahler. "Wir werden mit dem Steuergeld sehr vernünftig umgehen", verspricht Horst Seehofer. Eine "erstklassige Akustik" sei Pflicht, stimmt er mit BR-Chefdirigent Jansons überein. Aber: "Wir müssen schauen, dass eine exzellente Lösung zu sehr guten Preisen zustande kommt."

Offen ist noch, ob der Freistaat eine Stiftung beteiligen möchte, deren Gründung die Konzertsaalfreunde in Aussicht gestellt hatten. In die könnten Mäzene und Sponsoren einzahlen. Der Bayerische Rundfunk, dessen Orchester Hauptnutzer des Hauses sein werden, wird wohl die technische Ausstattung beisteuern und zudem Mietkosten vorauszahlen. Grob geschätztes Volumen: zwischen zehn und 20 Millionen Euro.

Wer betreibt das Konzerthaus?

Der Lenkungsausschuss spricht sich dagegen aus, dass die Philharmonie einen eigenen Intendanten bekommt. Deshalb wird es auf ein Vermietungsmodell wie am Gasteig hinauslaufen. Begründung: Die BR-Orchester, die ein Erstbelegungsrecht haben werden, bestritten den größten Teil des Programms. Zudem sollen freie Konzertveranstalter zum Zug kommen. Für all das brauche es keinen Intendanten.

Was sprach gegen die Paketposthalle?

Vor allem die Kosten. Die Experten der Staatsregierung taxieren den Grunderwerb auf 45 bis 55 Millionen Euro. Hinzu kämen Instandsetzungskosten von zehn bis 20 Millionen Euro. Richtig teuer sei die Ertüchtigung der Glasfassaden und des Brandschutzes mit insgesamt 30 bis 40 Millionen Euro. Allein das mache schon eine Summe von 85 bis 115 Millionen Euro. #

Und dann müsse der Freistaat mit einer "denkmalgerechten Totalsanierung beziehungsweise einem Neubau der Halle rechnen": Denn die Experten der Obersten Baubehörde geben der riesigen Betonkonstruktion aus den Sechzigerjahren maximal noch eine Lebenszeit von 50 bis 60 Jahren. Weiteres Argument gegen die Paketposthalle: das Konzept für ein eigenes Kulturviertel in Neuhausen müsse erst erarbeitet werden; zudem sei unklar, bis wann dort wirklich gebaut werden könne. Die Initiatoren um Anwalt Josef Nachmann schwiegen am Dienstag: "Wir analysieren die neue Situation mit der gebotenen Sorgfalt und werden uns erst danach erklären."

Und was ist mit dem Finanzgarten?

Das staatliche Grundstück hat aus Sicht der Staatsregierung zwei Nachteile. Der offizielle: Gutachter sehen massive Probleme bei der Größe und der Erschließung des Grundstücks, die auch den Altstadtringtunnel beeinträchtigen könnte. Der inoffizielle: Es wird damit gerechnet, dass Naturschützer rund um Klaus Bäumler gegen jeden Planungsschritt klagen würden - eine letztinstanzliche Entscheidung könnte erst in einigen Jahren fallen. Münchens SPD-Vize Isabell Zacharias jubelt denn auch: "Wir haben einen Konzertsaal gewonnen und den Finanzgarten gerettet."

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