Um einen "guten Freund" müssen sie sich in China nicht sorgen, wenn in zehn Wochen in Peking die 24. Olympischen Winterspiele beginnen. Wladimir Putin - Moment mal, rasch dessen aktuellen Jobtitel nachblättern - ah ja, Russlands Präsident hat bestätigt, dass er der Winterparty beiwohnen wird. Der Besuch solle die "Partnerschaft zwischen China und Russland" vorführen, richtete Chinas Außenministerium zuletzt aus. Bei der Gelegenheit können sie sich in Peking ja noch mal versichern bei ihrem guten Freund, wie man das so macht: als umstrittener Olympia-Gastgeber ein Fest der Menschlichkeit zu inszenieren. 2014, vor den Winterspielen in Sotschi, grätschte Russland alle brisanten Themen weg, vom Umgang mit Aktivisten bis zur Pressefreiheit. Später posierte Putin in den VIP-Logen mit Staatschefs und stieß mit Thomas Bach, dem deutschen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), mit Champagner an. Kurz darauf marschierte Russland auf der Krim ein.
China weist in Sachen Menschenrechte einen Negativrekord auf
Chinas Bilanz, so makaber es klingt, ist noch ärger, ein olympischer Negativrekord in Menschenrechtsfragen, wenn man will. Da ist die Unterdrückung in Tibet und Hongkong, der mutmaßliche Genozid an den Uiguren; da ist seit Kurzem auch die Tennisspielerin Peng Shuai, die einen der mächtigsten Männer Chinas der sexualisierten Gewalt bezichtigt hat - und von der man bis heute nicht weiß, ob sie sich in Peking ohne Druck bewegen und äußern kann. Hinzu kommt - welch gruselige Parallele zu Sotschi - Chinas Kriegsgerassel vor Taiwans Küsten. US-Präsident Joe Biden wird wahrscheinlich bald verkünden, dass amerikanische Regierungsvertreter den Spielen in Peking fernbleiben werden, andere Nationen, auch die Deutschen, werden sich im Kielwasser dieses diplomatischen Boykotts wohl einreihen. Das ist, im Lichte der gewaltigen Menschenrechtsproblematik, auch das Mindeste, was man von der Politik erwarten darf.
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Olympia beschert seinem Gastgeber immer auch eine Bühne für Zwecke jenseits des Sports, und dass Diktatoren dies krude nutzen, um ein schöngefärbtes Bild ihrer Macht zu zeichnen, ist vielfach verbrieft. Wer sich beim Autokraten auf der Ehrentribüne zeigt, macht sich zum Komplizen von Unmenschlichkeiten. Das von Sportlenkern oft durchgekaute Argument, man könne vor Ort ja im Stillen auf die Gastgeber einwirken, zwischen Slalomlauf und Normalschanzenspringen, ist abgestanden, Peking ist das beste Beispiel. Rund um die Sommerspiele 2008 hofften viele, dass China sich vor den Augen der Welt öffnen könnte. Also schaute die Welt hin, bis zuletzt, und stellte fest: Alles noch viel schlimmer als zuvor.
Es waren nicht die Athleten, die für Peking votiert haben. Es war das IOC
Muss man China die Spiele da nicht ganz entreißen? Man kann es so sehen, dass diese Frage viel zu spät kommt; dass kein Athlet, der seit Jahren für seinen vielleicht einzigen Moment auf der Olympiabühne schuftet, für Peking votierte. Das taten die IOC-Mitglieder - und deren Votum hätte sich leicht vereiteln lassen können, hätte das IOC in seinem Vergabekatalog mindeste Menschenrechtsstandards festgezurrt. Aber wen kümmert das schon, wenn das große Geschäft mit einem großen Markt winkt?
Es wäre aber auch zu einfach, sich an dem Argument festzuklammern, dass ein Boykott jetzt zu spät käme. Dann könnte sich künftig jeder Gastgeber auf einen zeitlichen Freibrief berufen. Was wäre nur, wenn Peking morgen im südchinesischen Meer in den Krieg zieht? Aber dieses Dilemma könnte man ja leicht vermeiden: Wenn der Sport sich nicht ständig zum Diener von Diktatoren und Dollars machen würde.