Sicherheitspolitik:Was Deutschland dient

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Seit Jahren fordern Aktivisten den Abzug aller Atomwaffen aus Büchel in Rheinland-Pfalz. (Foto: Jörg Carstensen/picture alliance / Jörg Carstens)

Kann sich eine mögliche Ampel-Koalition ausdrücklich zur Nato bekennen und zugleich Nein zur nuklearen Abschreckung sagen? Wohl kaum. SPD, Grüne und FDP werden sich entscheiden müssen.

Kommentar von Daniel Brössler

Es war ein Wahlkampf, in dem der Traum von einer atomwaffenfreien Welt die Fantasie beflügelte. Nicht nur SPD und Grüne forderten den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland. Auch die FDP verschrieb sich diesem Ziel.

Wer sich daran nicht erinnert, muss sich nicht wundern. Dieser Wahlkampf liegt zwölf Jahre zurück. So lange ist es her, dass der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sein Amt als Außenminister mit dem - damals gescheiterten - Vorhaben antrat, den Abzug der etwa 20 Atomwaffen aus dem Fliegerhorst Büchel zu erreichen. Jetzt ist das Thema wieder auf die Agenda gekommen - seltsamerweise aber erst nach dem Wahlkampf.

Im Osten Europas fühlen sich die Menschen von Russland akut bedroht

Ziemlich unvermittelt stehen die Unterhändler der Ampel-Parteien nun vor der Frage, wie sie es mit der Nato-Doktrin der nuklearen Abschreckung halten. Im Sondierungspapier haben SPD, Grüne und FDP das Thema noch ausgeklammert, aber wie sehr es ihm am Herzen liegt, hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich durch einen Rüffel klargestellt, den er der noch amtierenden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU erteilte. Ihre Forderung nach einer glaubwürdigen nuklearen Abschreckung der Nato gegenüber Russland stellte Mützenich auf eine Stufe mit "haltlosen Drohungen" Russlands.

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In diesen Worten steckt deutlich mehr als nur der Ärger über eine scheidende Ministerin, die sich noch mal exponiert. Zum einen, weil Mützenich seine nicht neuen Zweifel an der nuklearen Abschreckung bekräftigt. Zum anderen aber, weil der SPD-Mann die Drohungen Russlands als haltlos bezeichnet. Das dürften die Menschen in den baltischen Staaten und anderswo im Osten des Nato-Gebiets anders sehen. Sie fühlen sich bedroht durch ein Russland, das in der Ukraine zu militärischer Gewalt gegriffen hat und dessen Drohgebärden alles andere als haltlos wirken. Konsens ist es in der Nato bisher, die verbale und militärische Aufrüstung Russlands ernst zu nehmen.

Die Nato-Partner werden sich den Koalitionsvertrag genau anschauen

Dazu gehört die Doktrin der nuklearen Abschreckung. Auch im Weißbuch der Bundeswehr, verabschiedet 2016 während einer schwarz-roten Koalition, ist die Überzeugung verankert, dass nukleare Abschreckung so lange notwendig bleibt, solange es Atomwaffen gibt. Sowohl in Moskau als auch in den Nato-Hauptstädten wird im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien sehr genau nachgelesen werden, ob dieser Grundsatz für die künftige Bundesregierung noch uneingeschränkt gilt. Die Gewichte werden andere sein als bisher. SPD und Grüne betrachten die nukleare Abschreckung mit äußerster Skepsis. Der FDP ist das zumindest historisch gesehen nicht fremd.

Natürlich werden die Ampel-Parteien die USA nicht einfach zum Abzug ihrer Atomwaffen auffordern. Damit würden sie die Nato in eine Krise stürzen. Entscheiden müssen sie aber, ob Deutschland noch durch die sogenannte nukleare Teilhabe in der Mitverantwortung bleibt. Hier geht es der Nato nicht um Lippenbekenntnisse, sondern um neue atomwaffenfähige Flugzeuge.

SPD, FDP und Grüne betonen allesamt, wie wichtig das westliche Bündnis für die Sicherheit Deutschlands sei. Wie in der Finanzpolitik ist dieses Bekenntnis aber nur dann etwas wert, wenn es auch gedeckt ist. Das wäre dann der Fall, wenn Deutschland in der Allianz mehr Verantwortung übernähme. Ein schleichender Rückzug aus der nuklearen Teilhabe kann womöglich das Gewissen Einzelner beruhigen. Den Frieden in Europa wird er nicht sichern.

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