Kino:Vor dieser Frau haben Sexisten Angst

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Sie gehörte zu den Frauen, die Harvey Weinsteins Machtsystem entlarvten: der französische Star Léa Seydoux . (Foto: Gareth Cattermole/Gareth Cattermole/Getty Images)

Die kämpferische Schauspielerin Léa Seydoux ist beim Filmfestival von Cannes in einem Thriller zu sehen, der das Zeug zum Skandalfilm haben könnte.

Von David Steinitz

Kaum eine Schauspielerin ist so untrennbar mit dem Filmfestival in Cannes verbunden wie Léa Seydoux. Hier bekam sie ihren ersten Preis als Nachwuchsdarstellerin, für das Drama "Das schöne Mädchen" (2008). Und hier stieg sie 2013 endgültig in den Schauspielolymp auf mit der Liebesgeschichte "Blau ist eine warme Farbe", die mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, dem Hauptpreis des Festivals. Im vergangenen Jahr war Seydoux sogar mit insgesamt vier Filmen im Programm von Cannes vertreten - und konnte dann nicht kommen, weil sie sich mit Corona infiziert hatte.

Das soll dieses Jahr anders werden. Seydoux, 36, ist mit dem Thriller "Crimes of the Future" im Wettbewerb der 75. Festivalausgabe vertreten, die am Dienstagabend beginnt, und sie wird natürlich zur Weltpremiere kommen. Das Aufregende an Cannes ist, dass noch niemand die fertigen Filme gesehen hat - und so noch keiner weiß, wie die Zuschauer reagieren werden. Das ist auch für erfahrene Stars wie Seydoux ein Nervenkitzel. Denn es ist in Cannes nicht unüblich, dass Filme mit Buh-Rufen begleitet werden. Und bei so manchem provokanten Werk haben die Zuschauer in ihren Abendgarderoben schon in Scharen das "Grand Auditorium Louis Lumière" verlassen, wo die großen Gala-Premieren stattfinden.

"Crimes of the Future", so wird gemunkelt, soll durchaus das Zeug haben, zum Skandalfilm zu werden. Die Geschichte spielt in einer Zukunft, in der die Menschen keinen physischen Schmerz mehr empfinden und deshalb ein pervertiertes Verhältnis zu ihren Körpern entwickeln. Inszeniert wurde der Film von Regieveteran David Cronenberg, und das war auch der Grund, warum Seydoux den Film machen wollte: "Ich entscheide mich für ein Projekt immer wegen der Regisseurin oder des Regisseurs. Das ist das wichtigste Kriterium für mich."

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Schauspielerinnen wie sie lassen sich nicht zum Sidekick degradieren

Léa Seydoux wurde 1985 in Paris geboren und hatte durch ihre Familie beste Verbindungen zur Welt des Kinos. Ihr Großvater väterlicherseits, der Filmproduzent Jérôme Seydoux, ist eine der prägenden Figuren des französischen Nachkriegsfilms und war viele Jahre Präsident des Medienkonzerns Pathé. Zuletzt produzierte er das Drama "Coda", das im Februar bei den Oscars als bester Film ausgezeichnet wurde. Ihr Großonkel Nicolas Seydoux ist ebenfalls einflussreicher Filmproduzent und Aufsichtsratsvorsitzender der Filmfirma Gaumont.

Dass Seydoux heute in Europa wie in Hollywood arbeitet, mit Quentin Tarantino und Woody Allen drehte und in zwei "James Bond"-Filmen mitspielte, hat sie sich aber selbst erarbeitet. Sie steht für eine neue Generation französischer Schauspielerinnen, die sich auch in Hollywood nicht mehr zum hübschen Sidekick degradieren lassen. "Als ganz junge Schauspielerin", sagt Seyodux, "hatte ich das Gefühl, stets mit meiner Sexualität spielen zu müssen." Viele Filme hätten "eine rein männliche Perspektive gehabt". Mittlerweile verbittet sie sich in Interviews Begriffe wie "Bond-Girl".

Seydoux gehört auch zu den Frauen, die das Machtsystem des ehemaligen Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein entlarvten und ihm sexuelle Übergriffe vorwarfen. In einem Gastbeitrag für den Guardian schilderte sie 2017 ausführlich, wie er seine Stellung dazu missbrauchte, um Sex zu bekommen, dass er sie "wie ein Stück Fleisch" angestarrt habe - und dass es in der Filmindustrie sehr viele Weinsteins gibt: "Ich bin Männern wie ihm immer wieder begegnet." Aber gegen diese Frauenfeindlichkeit könne und müsse man eben aktiv etwas tun, indem man sie wieder und wieder offenlege.

Was für Seydoux auch nach Jahren im Geschäft die größte Herausforderung bleibt, ist die "Angst vor dem Spielen", die sie trotz der Erfahrung bei jedem neuen Film wieder überkomme. Es handele sich aber um eine produktive Form der Angst: "Wahrscheinlich würde ich mich an dem Tag langweilen, an dem ich keine Angst mehr habe."

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