Bundesregierung:Die alte Neue Soziale Frage

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Bei den nächsten Entlastungen wird es vor allem darauf ankommen, die Schwächeren zu unterstützen.

Kommentar von Joachim Käppner

Eine der erstaunlichsten Wandlungen, seit Saulus zu Paulus wurde, hat in den Achtzigerjahren der CDU-Politiker Heiner Geißler vollzogen. Aus konservativem Scharfmacher wurde eine Art humanitäres Gewissen der davon anfangs wenig beglückten Partei. Den Beginn dieses Wandels markierte seine Analyse zur "Neuen Sozialen Frage"; er rief die Politik dazu auf, die Armen und Abgehängten viel mehr zu beachten, diejenigen, die keine Lobby und vielleicht nicht mal einen richtigen Job haben. Wenn Robert Habeck nun schon seit Tagen fordert, dass bei Entlastungen "diejenigen, die weniger verdienen, stärker unterstützt werden als diejenigen, die viel verdienen", dann stellt der grüne Wirtschaftsminister, sozusagen, die alte Neue Soziale Frage.

Und er tut dies völlig zu Recht. Diese Frage hat sich ja nicht erledigt seither. Im Gegenteil, durch den Wandel der Arbeitswelt entsteht sie immer wieder anders und neu. Und zu viele Menschen finden selbst in diesem wohlhabenden Land den Anschluss kaum oder gar nicht.

Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip kann nicht Sinn der Sache sein

Dieser Herbst, dieser Winter werden den Deutschen Erhebliches abverlangen, vor allem wird das Leben teurer. Man mag darüber klagen, dass der Zorn vieler Menschen über Inflation und explodierende Gaspreise nicht dem Verursacher gilt, dem Warlord Putin im Kreml, sondern der Bundesregierung; und man muss sich nicht, wie die grüne Außenministerin Annalena Baerbock in einem unglücklichen Lapsus, deshalb vor "Volksaufständen" fürchten. Richtig ist es aber, dass der Staat versucht, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Aber wenn er dies nach dem Gießkannenprinzip tut wie etwa mit dem Tankrabatt oder dem Neun-Euro-Ticket, profitieren Firmenbosse ebenso wie eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, das kann nicht der Sinn sein. Die meisten Bürger verstehen schon, dass die Regierung in schweren Zeiten nicht jedem jede Belastung nehmen kann. Aber sie haben ein feines Gespür dafür, ob die Hilfe in einem Entlastungspaket gerecht verteilt ist.

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