Beginn der Corona-Impfungen:Wieder gut machen

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Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, bei einem Pressetermin zum Start der Impfungen gegen das Coronavirus. (Foto: Thilo Schmuelgen/dpa)

Die Politik der Ministerpräsidenten gegen die Pandemie zeigte zuletzt wenig Wirkung. Mit der Organisation der Impfkampagne müssen sie sich jetzt rehabilitieren.

Von Nico Fried

Man kann nicht völlig ausschließen, dass am Samstag der eine oder andere Ministerpräsident vor Wut in die Tischkante gebissen hat. In einem Altersheim in Halberstadt hatten die Verantwortlichen am zweiten Weihnachtstag vorzeitig die ersten Spritzen zum Schutz vor dem Coronavirus setzen lassen, wodurch Sachsen-Anhalt mit dem nicht nur in der Pandemie etwas eigenbrötlerischen Regierungschef Reiner Haseloff als das Bundesland in die Geschichte eingehen wird, in dem das große Impfen gegen die Pandemie begann. Und Haseloff wusste nicht einmal davon.

Dieser Impfstart ist trotz der Eigenmächtigkeit im Landkreis Harz eine gute Nachricht. Daran gibt es nichts zu deuteln. Dass die letzten Tage bis zur Zulassung des Impfstoffs in der Europäischen Union besonders lang erschienen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch vor einigen Monaten kaum jemand auf einen so schnellen Erfolg der Forschung gewettet hätte. Die Warterei hat zudem den Vorteil, dass schon erste Zahlen aus den USA vorliegen, wonach der Impfstoff zumindest nicht zu schaden scheint. Jetzt muss er nur noch wirken.

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Die Gesundheitsämter melden 348 weitere Todesfälle binnen 24 Stunden. Das Robert-Koch-Institut verzeichnet 10 976 Neuinfektionen. Bundesweit sind die Impfungen angelaufen.

Leider ist die Nachricht vom Impfbeginn auch die erste gute Nachricht nach vielen schlechten, die nicht zuletzt der politische Umgang mit der Pandemie jüngst verursacht hat. Nachdem Deutschland gut durch die erste Welle gekommen war, ist es in der zweiten Welle zu einem europäischen Hotspot geworden. Ein Erfolgsgeheimnis aus dem Frühjahr, das Lernen aus Problemen und Erfahrungen europäischer Nachbarstaaten, wurde im Herbst in leichtsinniger Weise vernachlässigt.

Die Klarheit der Verordnung über die Impf-Reihenfolge kann schnell in Unordnung geraten

Dafür tragen einige der Ministerpräsidenten, die jetzt für die Fototermine in ihren jeweiligen Impfzentren posierten, ein gehöriges Maß an Mitverantwortung. Daran, wie der Bund und vor allem die Länder von nun an das Impfen organisieren, hängt deshalb nicht nur das Wohlbefinden von Millionen Menschen. Daran hängt auch, wie viel Vertrauen die Bürger in wichtige Säulen ihres Gemeinwesens behalten: das Gesundheitssystem und den Föderalismus. Wenn die Länder die Impfkampagne zum Beispiel mit derselben Stringenz, Transparenz und Geschlossenheit gestalten wie in den vergangenen Monaten den Schulbetrieb und seine Digitalisierung, dann sind Verwirrung, Ärger und Unfrieden absehbar.

Noch ist es ein langer Weg bis zur Herdenimmunität. Und die Anzahl der Fragen liegt mancherorts gefühlt noch über der Anzahl der ersten Impfstoffdosen. Vor allem die Verordnung über die Reihenfolge, in der geimpft werden soll, suggeriert lediglich eine Klarheit, die durch Fehler der Behörden, aber auch durch Ungeduld oder Verweigerung der Bürger schnell in Unordnung geraten kann.

Es werde schon mal "ruckeln", sagt Jens Spahn voraus. Der Gesundheitsminister hat nach allerlei Fehleinschätzungen in der Pandemie eine Meisterschaft darin entwickelt, Erwartungen zu dämpfen und Fehler angesichts der Aufgabe von vorneherein als unvermeidlich zu klassifizieren. Ausgerechnet Spahn, dem es bis zur Pandemie nicht an strotzendem Selbstbewusstsein gebrach, hat mit diesem Demuts-Serum offenbar den Impfstoff zu seiner politischen Selbstimmunisierung gefunden - es muss ein hochwirksames Vakzin sein, wie seine Popularität im Allgemeinen und erst recht in der führungslosen CDU beweist.

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