"Tatort" aus Stuttgart:Ein Träumchen

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Am Sonntag, 19. November, gibt es wieder einen Stuttgart-"Tatort" mit den beiden Ermittlern Sebastian Bootz (Felix Klare. li.) und Thorsten Lannert (Richy Müller). (Foto: Christian Koch/SWR)

Ein Kopf ohne Körper, eine schießende schwäbische Bäuerin und ein torkelnder Kommissar: Warum dieser "Tatort" verrückt, aber sehr großartig ist.

Von Claudia Tieschky

"Wie bisch du nur geworde, was du bisch?", fragt der Rechtsmediziner Dr. Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) in feinstem Philosophenschwäbisch den Kopf ohne Leib, der da vor ihm liegt - und das ist ja eigentlich die Frage, um die es in jedem Krimi mit Leiche geht. Vogt sieht immer so aus, als hätte er heimlich sehr viel Angst vor der Welt. Diesmal muss er trotzdem mit ran und sich um Kriminalhauptkommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) kümmern, dem jemand eine Menge Drogen verabreicht hat. Ein Foto von einem Tisch mit viel Blut hat er dem Kollegen Bootz (Felix Klare) noch geschickt, dann findet man ihn. In der Kneipe "Der wilde Mann" verfolgt er selig lächelnd das aufsteigende Luftbläschen in einem Plexiglasrohr.

"Die Nacht der Kommissare" wird dann schnell zum irrsten und herrlichsten Stück Tatort. Bootz braucht Lannerts Erinnerung, um den blutigen Tisch, den körperlosen Kopf und noch einiges mehr in einen Zusammenhang zu bringen. Aber der zugedröhnte Kollege Lannert hat anderes vor, er fällt ganz zauberhaft aus der Rolle. Und er hat Spaß. Wie ein Kobold taucht er überall auf, wo man ihn nicht vermutet, hockt im Polizeiwagen und schaltet die Sirene an, lässt die anderen auf der Suche nach ihm um das Buswartehäuschen rennen und sitzt selbst oben auf dem Dach (kann er vielleicht wirklich fliegen?). Richy Müller verwandelt diesen sonst stocksteifen Lannert in ein hemmungsloses Kind und kann gar nicht aufhören, Bootz zu sagen: "Ich liebe dich". Darauf wäre man bisher auch nicht gekommen.

"Wenn sie wenigstens so alt geworden wäre, wie sie mit 50 ausgeschaut hat."

Der Stuttgarter Tatort ist normalerweise solide, in dieser One-Night-Sause drehen Drehbuchautor Wolfgang Stauch und Regisseurin Shirel Peleg genussvoll auf. Dabei geht es eigentlich um illegalen Handel in großem Stil bei aller schwäbischen Anständigkeit - womit, auch darauf wäre man nie gekommen. Von der Schweinezucht kann der Hof der Bechtles jedenfalls kaum noch überleben, und da wird der Landwirt erfinderisch; das neue Nutztier scheißt sogar eine goldene Uhr. Natürlich ist das alles sehr skurril, aber auch gut in der Balance mit dem Provinzdrama, das sich hier abspielt. Das handelt von Menschen mit Skrupeln, Geld zu nehmen, das ihnen nicht gehört, von Arbeit und Moral, und davon, was es mit einem macht, 20 000 Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren, weil es sich mit Betäubung nicht rechnet.

Es muss doch noch was anderes geben im Leben: Die entschlossenste Person weit und breit ist Bäuerin Beate Bechtle (Therese Hämer), die weg will vom Hof. Die Mutter hat mit 40 immer noch die gleiche Kittelschürze gehabt wie mit 20 und "wenn sie wenigstens so alt geworden wäre, wie sie mit 50 ausgeschaut hat". Beate Bechtle wird sich notfalls den Weg hier raus freischießen, und das wirklich Besondere an diesem Tatort ist, dass bei allem Quatsch keine einzige Figur in der Lächerlichkeit landet. Sie werden alle ganz fein und sorgsam geliebt.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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