Es ist die letzte Folge "Neo Magazin Royale" vor der Sommerpause, und Jan Böhmermann tut wieder das, was er am besten kann: Er inszeniert eine solch schelmisch-bierernste Aufregung um die Sendung herum, dass es einem ganz warm ums Herz wird. Das ging schon vor der Sendung los, Pressemitteilungen wurden verschickt, Nachrichtenagenturen meldeten Tage vor der Sendung "Rezo bei Böhmermann", auf der Website konnte man sich einen Vorab-Trailer mit Rezo ansehen. Ergebnis: nervöses Publikum, nervösere Journalisten.
Es sollte der erste und bislang einzige Auftritt des Youtubers Rezo in einer Fernsehsendung sein. Rezo ist der, der vor fast vier Wochen in seinem Video "Die Zerstörung der CDU" auf der Videoplattform Youtube die Forderung aussprach, für die bei den "Fridays for Future" seit vergangenem Sommer Tausende junge Menschen auf die Straße gehen: Dass sich doch in der Regierungskoalition mal bitte jemand um eine wirkungsvolle Klimapolitik kümmern sollte. Das Video haben inzwischen fast 15 Millionen Menschen gesehen.
Was für ein Gespräch das also werden würde? Ein Schlagabtausch bestimmt, von Revolutionär zu Revolutionär. Eine Aussprache zweier Menschen, die jeweils für eine kurze Zeit die Stimme einer Generation geworden sind, auch, wenn sie sich selbst nie so nennen würden (deswegen mag man sie ja auch ganz gut leiden). Und eine intelligente Diskussion zwischen zwei, die es geschafft haben, mit ihren künstlerischen Projekten - jeweils auf ihre eigene Art und mit einem guten PR-Team im Hintergrund - die Bundespolitik auf den Kopf zu stellen. Vielleicht würden sie ja sogar zusammen singen, wer wusste das schon.
Aber er sitzt jetzt also einfach da, der Mann mit den blauen Haaren, dessen Video vor wenigen Wochen einem kleinen analogen und digitalen Erdbeben gleichkam. Sitzt im guten, alten Fernsehen. Und erzählt Jan Böhmermann (der seine Augenbrauen wirklich absurd und sehr unabhängig voneinander bewegen kann) von den Reaktionen nach dem Video. Davon, dass er "keinen Plan" hatte, was Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrer Aussage eigentlich meinte. Und davon, dass die Politiker doch mal weniger "Scheiße bauen" sollten. Damit meint er, dass sie sich in ihrer Sprache nicht so rhetorisch verkünsteln sollten, wie der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, es tut.
Böhmermann hatte vorher versprochen, kritische Fragen zu stellen, und das hält er ein. Überhaupt stellt Böhmermann die richtigen Fragen (auch wenn er zwischendurch etwas altväterlich daherkommt, aber das kommt auch daher, dass er Markus Lanz imitiert). Rezo gibt nur leider sehr vage Antworten. Ob er es gefährlich findet, dass Youtuber so eine Macht haben, fragt Böhmermann. Und Rezo antwortet: "Diese Gefahr ist immer da bei Leuten, die eine Meinungsmacht haben." Dann spricht er vom Missbrauch dieser Macht und davon, dass der auch bei den Mainstreammedien immer wieder vorkommt. Das ist eine geschickte Antwort. Aber sie erinnert in ihrer Konstruktion und Nicht-Aussage auch an die, die Rezo so angreift: Politiker und ihre leere Rhetorik.
Ein erfolgreicher Youtuber ist nicht automatisch ein eloquenter Talkshowgast
Überraschend ist der kurze Auftritt natürlich nicht: Ein erfolgreicher Youtuber ist nicht automatisch ein eloquenter und gewitzter Talkshowgast. Er muss es aber, und da ist Rezo eben wieder Privatperson und ein Youtuber, der sich seine eigenen Videos so zurechtschneiden kann, wie er will, gar nicht sein. Sympathisch ist Rezo trotzdem, Aussagen, die zum Nachdenken anregen - wie die in seinem Video - macht er keine. Eine Auseinandersetzung über Inhalte gibt es auch nicht. Das ist nicht nur fad, sondern auch eine verschenkte Möglichkeit: Man hatte vorher noch die kleine Hoffnung gehabt, vielleicht würde Rezo jetzt auch bald Anne Will aufmischen. Oder Maischberger. Aber für die Inhalte muss dann wahrscheinlich doch wieder Luisa Neubauer ran.
Wofür es sich dann doch lohnt, Böhmermann anzuschauen, das ist die geschlagene halbe Stunde, in der Jan Böhmermann Witze über Homöopathie macht. Einmal vermischt er zwei verschiedene Sorten Globuli (eine teurer, eine billiger) mittels eines "komplizierten Verfahrens" in einer Petrischale (Böhmermann rührt mit dem Finger darin herum). Der Witz: Kein Schwein und schon gar kein wissenschaftliches Verfahren kann die jetzt mehr auseinanderhalten. Der Anti-Homöopathie-Song, in dem Böhmermann "Quatschquatschquatsch" herausschreit und herumhüpft, als habe ihn der Pharmakonzern Bayer persönlich mit dem Text beauftragt, ist dann Böhmermann in Bestform, als singender, tanzender, aufgedrehter Schelm.
Es ging in dieser Sendung nicht ums Klima, kaum um Politik, nicht einmal um Rezo. Es ging viel um Homöopathie. Und um noch mehr Quatsch. Irgendwie tat das aber mal wieder gut.