Podcasts des Monats August:In einem anderen Land

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Eliten, Teenager, Wendekinder: Vier Empfehlungen für Podcasts, die auf das Leben in der DDR zurückblicken.

Von Aurelie von Blazekovic, Sonja Dawson, Stefan Fischer und Kathleen Hildebrand

111 Kilometer Akten

stasi-unterlagen-archiv.de

Ein Podcast einer Behörde, das hört sich nicht auf Anhieb sexy an. Die Geschichten, die im Stasi-Unterlagen-Archiv liegen, in den namensgebenden 111 Kilometern Akten, lassen jede archivarische Behäbigkeit aber schnell verzeihen. In bisher mehr als 70 etwa einstündigen Episoden taucht der Podcast in die Geheimakten der DDR ein - zur Frage, was die Staatssicherheit in Sachen Thüringer Christbaumschmuck die Öffentlichkeit lieber nicht wissen lassen wollte, was sie mit den Models der Modezeitschrift Sibylle vorhatte oder welcher Bauart die Wanzen und Spionagekameras waren, mit denen die eigene Bevölkerungen bespitzelt wurde. Ergreifend sind die unzähligen persönlichen Schicksale, in die die Stasi mit ihren Methoden eingriff und dann alles feinsäuberlich ablegte. Was dieser Eingriff für Menschen bis heute bedeutet, das macht dieser Podcast begreiflich. Aurelie von Blazekovic

Young & Free - True Stories übers Jungsein in der DDR und Heute

open.spotify.com

Einer ist queer, einer ein aus Mosambik stammender Gastarbeiter, eine ist Spitzensportlerin und eine andere Musikerin. Gemeinsam haben sie: Sie waren in den Achtzigern jung, sind aufgewachsen in der DDR - und alle träumten ihre ganze Jugend lang davon, frei zu sein. Einmalige Erlebnisse und bewegende Entscheidungen prägten ihre Wege - sei es, dass sie innerhalb der Beschränkungen beim Gründen einer Band nach einem Ventil suchten oder den mutigen Schritt zur Flucht wagten, um bei ihrer Liebe im Westen zu sein. Der Podcast der Kooperative Berlin wird moderiert von Florian Prokop und unterstützt durch die Historikerin Janine Funke. Die beiden erzählen nicht nur die individuellen Geschichten der Protagonisten, sondern vermitteln auch wichtige historische Kontexte und veranschaulichen die komplexen politischen Strukturen des letzten Jahrzehnts der DDR. Sie wenden sich damit vor allem an Hörerinnen und Hörer, die heute im selben Alter sind wie die Porträtierten damals - jedoch in einem ganz anderen gesellschaftlichen Umfeld erwachsen werden. Sonja Dawson

Ostkinder 80/82

8082.eu

Alexander Derno aus Mecklenburg-Vorpommern und Danny Frede, im thüringischen Sondershausen geboren, leben seit der Jahrtausendwende in Köln. Dort haben sie sich kennengelernt - und in ihren Gesprächen immer wieder festgestellt, dass da eben doch einiges ist, was sie von ihrem neuen Umfeld unterscheidet und was mit ihrer Herkunft aus Ostdeutschland zusammenhängt. Der Podcast-Titel ergibt sich aus ihren Geburtsjahren, die beiden waren noch Kinder, als die Wende kam. Und doch: Sie wuchsen mit anderen Wörtern, Fernsehsendungen, Süßigkeiten auf, ihre Eltern erzählten andere Dinge als die von "Wessis". "Wort" ist deshalb eine der festen Rubriken ihres heiteren Gesprächspodcasts, der sehr persönliche Einblicke gibt in zwei Familien, die, wie viele im Osten, weder erschreckende Opfer- noch schlimme Tätergeschichten zu erzählen haben, sondern irgendwas dazwischen, was man wohl Normalität nennen muss. In der Rubrik "Thema" recherchieren sie in jeder der bisher 36 Folgen ein Thema, zum Beispiel Schwulsein im Osten oder Computerspiele, alles immer angereichert mit echten, reflektierten Erinnerungen. Und, so heimelig ist es hier: Zum Schluss gibt's ein Bierchen. In der Rubrik "Bier-Ort" wird am Schluss jeder Folge der Herkunftsort eines ostdeutschen Bieres vorgestellt. Kathleen Hildebrand

Eliten in der DDR

ardaudiothek.de

Der Staatsratsvorsitzende, das Politbüro, überhaupt die gesamte Staatsführung - klar, das war unbestritten die Elite der DDR. Zu ihr gehörten jedoch noch viel mehr Menschen: Jene, die es in ihrem Bereich zu etwas gebracht haben, sei es in der Wirtschaft, in der Kultur, in der Forschung. Die Verantwortung getragen haben, eventuell prominent geworden sind, womöglich Privilegien genossen haben aufgrund ihres Status. Menschen, die die DDR geprägt haben und teilweise, aber nicht zwingend mit dem System konform gegangen sind. Solchen Biografien widmen sich Kristin Kielon und Jan Kröger in ihrem vom MDR produzierten Podcast. Kielon ist in der DDR geboren, war beim Mauerfall allerdings noch ein Kleinkind. Kröger ist wenig älter, stammt aus Schleswig-Holstein und lebt seit 17 Jahren in Leipzig. Sie sind neugierig darauf, von Angehörigen dieser gesellschaftlichen Elite zu erfahren, wie die selbst ihre Rolle in der Rückschau sehen. Wobei die beiden Journalisten die Interviewpassagen immer wieder unterbrechen, um zu kommentieren, zu präzisieren, um einzuordnen. Einige Gesprächspartner reden ihre Rolle eher klein, wie der unprätentiöse Wolfgang Neupert, der das Kombinat Sportgeräte Germina geleitet hatte. Andere, darunter vor allem eine ehemalige Schulleiterin, gehen indessen sehr kritisch mit sich selbst ins Gericht. In Summe ein spannender Einblick in ostdeutsche Verfasstheiten. Stefan Fischer

sz.de/podcast-tipps

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