Maischberger-Talk zur Flüchtlingskrise:"Es werden auch Menschen kommen, die nicht unmittelbar verwertbar sind"

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Vorgriff auf das, was Kritiker vorbringen werden: Claudia Roth in Sandra Maischbergers Sendung. (Foto: WDR/Michael Fehlauer)

Claudia Roth liefert bei Maischberger den Joachim-Herrmann-Moment, ein Schweizer ist auf Autopilot und Michel Friedmans Geschichte will niemand hören.

Von Ruth Schneeberger

Während am Wochenende in München 20 000 Flüchtlinge fast wie Popstars von der Bevölkerung empfangen werden, erklärt der ungarische Ministerpräsident Orbán die Flüchtlingskrise zu einem "deutschen Problem". Viele osteuropäische EU-Staaten wehren sich gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen, während Angela Merkel die Menschen in Deutschland zuletzt willkommen geheißen hatte, jetzt aber eine Verteilung auf die EU-Mitgliedsländer per Quote fordert. Ist das die ultimative Zerreißprobe für Europa, das durch Griechenland- und Euro-Krise ohnehin geschwächt ist? Das wollte Sandra Maischberger Dienstagnacht in der ARD von ihren Gästen wissen.

Köppel macht sich große Sorgen

Ja, findet wenig überraschend Roger Köppel, Herausgeber der Schweizer Weltwoche und SVP-Kandidat für die kommenden Nationalratswahlen, der in Talkshows gerne den Rechtsaußen-Kommentator gibt und Merkel zuletzt als "Schlepperkönigin" bezeichnet hatte. Was er nun aber trotz der Bitte von Maischberger partout nicht wiederholen wollte. Er war den Rest der Sendung auf Autopilot: Stetig wiederholte er, dass man die hiesigen Menschen mit ihren Sorgen nicht außer Acht lassen dürfe, Politiker und Talkshowredner ihren Elfenbeinturm verlassen müssten und die Ängste der Normalbevölkerung ernst nehmen müssten. Am Ende entfuhr der sonst eher ruhigen Moderatorin gar ein "Herrschaftszeiten!", weil Köppel immer wieder dasselbe sagte - das aber mit Vehemenz.

Ein bisschen Unterstützung fand er beim ARD-Studioleiter aus Brüssel, Rolf-Dieter Krause. Deutschland dürfe sich nun nicht an seiner Willkommenskultur "besaufen": Menschlich sei das im Moment alles sehr richtig. Trotzdem frage man sich in Brüssel zu Recht, ob Deutschland das auch zu Ende gedacht habe. Manche Flüchtlinge würden mit zu hohen Erwartungen nach Deutschland kommen. Nicht jeder könne studieren. "Normal ist etwas, was wir in Deutschland offenbar nicht richtig können", wunderte er sich darüber, dass auf der einen Seite Flüchtlingsheime angezündet würden, auf der anderen Seite freudiger Überschwang herrsche - und die Mitte fehle.

Auch Wolfgang Bosbach, CDU, nahm Köppel ein bisschen in Schutz: Man müsse in der Tat die Ängste der Bürger mitdenken. Froh war Bosbach aber vor allem darüber, dass diesmal kein Vertreter aus der CDU-CSU-Familie für einen Eklat sorgte. Sondern ausgerechnet die Grüne Claudia Roth einen Satz sagte, von dem Bosbach glaubte, dass am nächsten Morgen die Hölle los sein würde, wenn er ihn gesagt hätte. Dieser Satz lautete: "Es werden auch Menschen kommen, die nicht unmittelbar verwertbar sind."

Doch dieser Satz taugt in Wahrheit nicht zum Eklat, wie einige andere vor ihm auch nicht, auch wenn sie von CSU-Mann Joachim Herrmann stammten. Viel eher ist es so, dass in der derzeit aufgeheizten Situation mehr auf die Goldwaage gelegt wird als nötig und sich auch innerhalb Deutschlands die Lager bekämpfen, nicht nur innerhalb Europas.

Woher die Angst komme

Was Roth wohl meinte, war ein Vorgriff auf die Kritiker, die von Flüchtlingen erwarten, dass sie alle zu Fachkräften werden - und dann enttäuscht sind, wenn es nicht so kommt.

Ein bisschen enttäuscht war auch Michel Friedman an diesem Abend, weil niemand seine eigene Flüchtlingsgeschichte hören wollte. Trotzdem konnte er noch betonen, dass er Orbán für einen Rassisten halte, Europas Verhalten in der Flüchtlingskrise eine einzige Kapitulation sei und beim Anblick der Zustände in Ungarn und auch Griechenland "in Deutschland bei Tieren der Tierschutz einschreiten" würde.

Für den internationalen Blick war dann ein Wissenschaftler zuständig: Petr Robejsek, deutsch-tschechischer Politikwissenschaftler, erklärte, warum viele Menschen in den osteuropäischen Staaten so viel Angst vor "dem Fremden" hätten: Das seien eben keine Leute, die mal eben zehn Tage Hurghada oder Marokko buchten. Aufgrund ihrer kommunistischen Vergangenheit inklusive Reisebeschränkung würden sie ferne Länder und Religionen kaum kennen. Die Politik, die diese Menschen vertreten und nicht erziehen müsse, sei deshalb nicht unbedingt zu kritisieren: "Wir sollten aufhören, uns gegenseitig Vorwürfe zu machen."

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