Frankreichs Republik, stolz wie sie ist, entstammt der absoluten Monarchie. Höfisches Zeremoniell gehört in Paris zu den Gesten der Macht unter Gewählten. Auch legen die jeweiligen Präsidenten Wert auf eine anständige Herrscherlegende, die am besten schon beim Weg ins Amt beginnt.
Manche Kandidaten lassen sich deshalb von Künstlern im Wahlkampf begleiten. Dass man die nicht unter Kontrolle hat wie in Diktaturen, besitzt offenbar sogar gewissen Reiz, wenn die Publicity stimmt.
"Selbst wenn Sie mich verreißen, wird es zu meinem Ruhm geschehen", erklärte Nicolas Sarkozy der Dramatikerin Yasmina Reza, die vorschlug, ihm im Wahlkampf zu folgen.
In Rezas großartigem Buch Frühmorgens, abends oder nachts ist die eigene Beziehung zum neugierig beobachteten Objekt, Sarkozy, Teil des Textes und immer ist da die zweifelnde Reflexion, dieses ständige: Was mache ich hier eigentlich? François Hollande wiederum ließ Laurent Binet ran, Träger des Prix Goncourt.
Zur Inszenierung von Emmanuel Macron, dem neu gewählten Präsidenten, passt haargenau, dass es bei ihm profaner, aber schneller zugeht: Bereits am Abend nach dem Wahlsieg lief der eineinhalbstündige Dokumentarfilm von Yann L'Hénoret im französischen TV, der acht Monate lang an Macrons Seite war.
Das Mikrofon war nie ausgeschaltet
Er hatte in der Nacht noch gedreht, bis Mittag geschnitten, dann saß L'Hénoret hellwach in einer Talkshow, wo er unter anderem erklärte, dass Macron den Film vorab nicht sehen oder beeinflussen konnte, dass er das Mikro, das L'Hénoret ihm gab, nie ausgeschaltet habe - und ja, dass sie sich zuletzt geduzt hätten.
L'Hénoret hat Erfahrung mit so etwas, zuvor filmte er drei Jahre lang den Judoka und Olympiasieger Teddy Riner. Die Macron-Doku finanzierten die Produzenten nach eigenen Angaben selbst, es sollte das Porträt einer politischen Bewegung werden, die sich professionalisiert.
Dann wurde mehr daraus, sie verkauften an TF1, den größten Privatsender des Landes. Der Film hat keinen Kommentar. Er funktioniert wie die Jazz-Rhythmen, mit denen er unterlegt ist, suggestiv und selbsterklärend. Die deutsche Fassung macht das mit der Voice-over-Übersetzung etwas kaputt, vermutlich ging es auf die Schnelle nicht anders.
Zu sehen ist fast nur der innere Zirkel des Wahlkampfteams, Privates kaum. Der Kandidat aber behält stets etwas Unberechenbares, Verspieltes. Er kann seine Leute zum Lachen bringen, überhaupt wirkt es, als ziehe Macron Kraft aus der Fähigkeit, seinem Team im Chaos Sicherheit zu geben.
So ein Moment ist da, als das Gerücht auftaucht, Alain Juppé könnte statt des angeschlagenen François Fillon kandidieren, gegen den zu diesem Zeitpunkt bereits wegen einer Finanzaffäre ermittelt wird. Juppé könnte gefährlich werden. Es kommt nicht so.
Man sieht, wie Macron Marine Le Pen im Fernseh-Duell attackiert, sein Team jubelt, hinterher sackt er ins Sofa, verlangt Schokolade und bekommt sie nicht. "Ich will nicht, dass du diesen Dreck isst", ruft Ehefrau Brigitte. Er kapituliert: "Gut, dann gebt mir Wasser!"
Keine Szene wird Macron schaden. Gerade weil die Kamera das Wahlkampfteam selten verlässt, entwickelt sich eine Spannung, wie sie manchen Politserien eigen ist.
Ein Buch bekommt Macron aber auch noch. Der Schriftsteller Philippe Besson bereitet dem Magazin Livres Hebdo zufolge ein Werk über ihn vor, Wahlkampf, Sieg et cetera. Das Problem der Distanz stellt sich nicht, Besson ist mit den Macrons gut befreundet.
Macron - Hinter den Kulissen des Sieges , bei Sky.