Kolumne: Vor Gericht:Die Trennung

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Leiden bei Sorgerechtsprozessen besonders: die Kinder. (Symbolbild) (Foto: Ute Grabowsky/imago/photothek)

Nach einem Sorgerechtsstreit entführt ein Vater seine beiden Kinder. Der Prozess gegen ihn macht alles nur noch schlimmer.

Von Verena Mayer

Zu den schönen Seiten der Globalisierung gehört, dass sie Liebe zwischen Menschen aus verschiedenen Kontinenten ermöglicht. Zu den hässlichen Seiten gehört, dass auch diese Menschen sich Scheidungskriege liefern, ihre Kinder mithineinziehen und kein Gericht den Konflikt lösen kann. Vergangene Woche machte ein solcher Fall Schlagzeilen: Da durchbrach ein Mann mit dem Auto eine Schranke am Hamburger Flughafen, auf der Rückbank hatte er eine Geisel. Seine vierjährige Tochter, um deren Sorgerecht er mit seiner in Deutschland lebenden Ex-Frau stritt. Er forderte, mit dem Mädchen in seine türkische Heimat ausreisen zu dürfen. Nach 18 Stunden konnte der Mann festgenommen werden, das Kind ist wieder bei der Mutter.

Dass Sorgerechtsstreitigkeiten eskalieren, kommt bei binationalen Eltern immer wieder vor. Meistens seien es allerdings die Mütter, die ihre Kinder irgendwohin bringen, sagen Experten.

Mir ist ein besonders tragischer Fall von Kindesentziehung in Erinnerung. An einem Dezembertag 2000 brachte eine Mutter ihre Tochter und ihren Sohn, fünf und zwei Jahre alt, zu einem Berliner U-Bahnhof. Dort wartete ihr Ex-Mann, der Vater der Kinder, um etwas mit ihnen zu unternehmen. "Bis morgen", rief die Frau. Es war das letzte Mal, dass sie ihre Kinder gesehen hat, der Vater brachte die beiden an einen unbekannten Ort nach Ägypten, wo seine Familie lebt.

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Als er fünf Jahre später nach Deutschland reiste, wurde er verhaftet und vor Gericht gestellt. Es war ein bizarrer Prozess. Auf der Anklagebank saß der Vater der Kinder, ihm gegenüber als Nebenklägerin die Mutter. Die Kinder waren irgendwo in Ägypten. Das Strafgericht konnte nichts daran ändern, seine Aufgabe war es, Gutachter und Zeuginnen zu hören. Es schälte sich das Bild einer anfangs glücklichen Beziehung heraus. Die beiden hatten sich in Westdeutschland in einem Laden kennengelernt, heirateten und bekamen zwei Kinder. Sie arbeitete als IT-Expertin, er kümmerte sich um die Kinder. Wegen ihres Jobs musste die Familie nach Berlin umziehen. Er fühlte sich nicht wohl in Berlin und warf seiner Frau vor, sie arbeite zu viel. Sie fand, er sitze bis spätnachts am Computer und würde nie etwas mit der Familie unternehmen. Irgendwann war die Ehe zerrüttet, die Mutter zog aus. Sie bekam das Sorgerecht zugesprochen, der Vater das Umgangsrecht.

Die Eltern trafen sich fortan an U-Bahnhöfen, um einander die Kinder zu bringen. Er habe das Gefühl gehabt, die Mutter wolle ihm die Kinder vorenthalten, sagte der Vater. Sie habe immer Angst gehabt, dass er die Kinder entführt, sagte die Mutter. Spätestens hier fragte man sich, warum es Eltern so weit kommen lassen, dass ihr Rosenkrieg vor einer Strafkammer landet. Die sprach Recht und verurteilte den Vater wegen Kindesentziehung zu viereinhalb Jahren Haft. Für die Kinder war nichts daran richtig. Sie mussten nicht nur seit Jahren ohne ihre Mutter leben, sie hatten nun auch keinen Vater mehr.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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