Dem Geheimnis auf der Spur:Das gesprochene Rätsel

Lesezeit: 3 min

Zweisprachige Straßenschilder im spanischen Baskenland. (Foto: mauritius images / Julio Etchart)

Baskisch gilt als älteste isolierte Sprache Europas, war es vielleicht sogar die Ursprache des Kontinents?

Von Josef Schnelle

Das Baskenland, dieser kleine Flecken Erde mit den spektakulären Bergschluchten der Pyrenäen bis hin zum stets sturmumtosten Golf von Biskaya, hat immer wieder Geschichte geschrieben. Schon die Römer bissen sich an den Vaskonen, wie sie sie nannten, die Zähne aus. Und Roland, der Legende nach Neffe Karls des Großen, hatte sich 778 im Kampf gegen die über weite Teile Spaniens herrschenden Mauren zwar tapfer geschlagen, doch an den Basken - deren Name abgeleitet ist von der römischen Bezeichnung der Altbasken als vascones - verzweifelte er. Beim Versuch, die Pyrenäen bei Roncesvalles zu überqueren, starb er.

Ihren höchsteigenen Kampf lieferten die Basken auch dem Faschistenführer Franco, der sie dafür hasste. An Krieg und Zerstörung im Spanischen Bürgerkrieg in Guernica - ebenfalls eine baskische Stadt - erinnert das berühmte gleichnamige Gemälde von Pablo Picasso. Der Kampf der schon im faschistischen Spanien gegründeten ETA ( Euskadi Ta Askatasuna = Freiheit für das Baskenland) führte schließlich in ausweglose terroristische Einzelaktionen und 2018 zu ihrer Auflösung. Der Kampf um Autonomie und die Teilung des Baskenlandes in eine spanische und eine französische Hälfte bestimmen seine Geschichte, wobei es oft um die Einzigartigkeit der Landessprache ging. Noch in der Franco-Zeit, so berichtet eine baskische Zeitzeugin in einem Zeitungsartikel aus ihrer Jugend, sei sie mit den Worten "Sprich christlich!" und einem Schlag mit dem Lineal auf die Finger bestraft worden, wenn sie baskisch sprach.

Das Genom der Basken unterscheidet sich vom Erbgut ihrer Nachbarn

Heute gibt es zum Glück eine baskische Universität, an der auf Baskisch unterrichtet wird, das ist auch deshalb so wichtig, weil diese Sprache einzigartig ist. Euskara, so die Eigenbezeichnung, ist die älteste und heute einzige noch existierende isolierte Sprache in ganz Europa. Sie ist weder indogermanischen Ursprungs wie etwa Latein, Deutsch oder Spanisch, noch uralisch wie etwa Finnisch oder Ungarisch, noch semitisch wie etwa Arabisch oder Hebräisch. Baskisch unterscheidet sich auch vollkommen von den anderen europäischen Sprachen mit seinem komplizierten Verbalsystem samt einer polypersonalen Flexion, zehn einzigartigen Diphthongen im Alphabet und einem Vigesimalsystem, einem Zwanzigersystem bei den Zahlen, das offenbar ins Französische eingesickert ist mit zum Beispiel "quatre-vingt-dix" für 90.

Dem Geheimnis auf der Spur
:Geisterflieger

Keine Flugnummer auf der Anzeigentafel, kein Logo auf der Maschine: Zwischen 1982 und 2020 flog die geheimnisvolle Air Sinai einmal täglich von Tel Aviv nach Kairo und zurück. Dahinter steckt ein politischer Kompromiss.

Von Sofia Glasl

Der umfangreiche originäre Wortschatz des Baskischen hat die Zeiten überdauert. Auch wenn der erste gedruckte baskische Text erst 1545 erschienen ist, lassen baskische Eigen- und Götternamen in Inschriften und auf Grabsteinen aus römischer Zeit vermuten, dass das Altbaskische noch viel älter ist und schon bestand, als vor etwa 3000 Jahren indogermanische Sprachen in Europa zu dominieren begannen. Der Münchner Sprachwissenschaftler Theo Vennemann untersuchte die Gewässernamen in Europa und stellte die häufige Übereinstimmung mit baskischen Sprachwurzeln von der Saale bis zum Arno fest. Die Namen blieben auch, als eine indogermanische Invasion aus Asien die bis dahin existierende "vaskonische" Urbevölkerung hinwegfegte, die - so Vennemanns These - bis dahin den Kontinent beherrschte.

Repräsentieren also die heutigen 750 000 baskischen Muttersprachler den letzten Rest der ersten Europäer? Dafür spricht, dass sich das Genom der Basken deutlich von dem ihrer Nachbarn unterscheidet, aber im Erbgut der übrigen Europäer durchaus "baskische" Sequenzen nachweisbar sind. Die baskische Bevölkerung weist auch einen sehr hohen Anteil der archaischen Blutgruppe 0 sowie des Rhesusfaktors negativ auf. Auch das würde eine Landnahme durch indogermanische Völker bestätigen. 50 000 Jahre alte Neandertalerknochen in einer baskischen Felsenhöhle in Axlor bei Dima in der Provinz Bizkaia, nicht weit von Bilbao, und weitere Höhlenfunde im Baskenland aus dieser Zeit weisen noch einen anderen Weg.

Hat das Baskische afrikanische Wurzeln?

Man weiß inzwischen, dass auch die Neandertaler sprechen konnten und so auch verschiedene Sprachen gebildet haben könnten. So wäre es durchaus möglich, dass das Baskische afrikanische Wurzeln hat, wie einige Forscher in Ansehung gewisser Verwandtschaften zu Berber- und Songhai-Sprachen behaupten. Russische Wissenschaftler sprachen auch von merkwürdigen Verbindungen zu den ebenfalls nichtindogermanischen Sprachen des Kaukasus. Wilhelm von Humboldt zufolge, Mitbegründer der vergleichenden Sprachwissenschaft, soll hingegen eine nie enträtselte iberische Ursprache das Baskische beeinflusst haben. Derartige Thesen sind allerdings "reich an nicht beweisbarer Phantasie", wie Michael Meier-Brügger sie in seinem Standardwerk zur indogermanischen Sprachwissenschaft einordnet.

Ein bisschen Phantasie muss aber sein, befand schon Bertolt Brecht als er 1929 seinen "Bilbao-Song" dichtete und dabei eine pralle Welt der vergnügungsfreudigen Basken heraufbeschwor: "Bills Ballhaus in Bilbao war das schönste auf dem ganzen Kontinent. Dort gab's für einen Dollar Krach und Wonne, und was die Welt ihr Eigen nennt." Jegliche Archäologie der Sprachen und ihrer Entstehung stößt allerdings sowieso an ihre Grenzen, wenn sie sich mit der vorschriftlichen Urzeit des Menschen beschäftigt. Aber ist es nicht eine schöne Vorstellung, dass die ersten Europäer Basken waren, die, zumindest in ihrem kleinen Restgebiet, wie das Asterix-Dorf den Römern bis heute der indogermanischen Invasion trotzen? Oder um es in feinstem Baskisch zu sagen: Baskisch ist so alt wie die Berge - " Euskara mendia bezain zaharra da".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Dem Geheimnis auf der Spur
:Stein des Anspruchs

Der "Stone of Scone" ist ein schottisches Nationalsymbol und war lange Bestandteil des Krönungsthrons der englischen Monarchen. Aber ist er überhaupt echt?

Von Carolin Werthmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: