Für ihr Buch, das im März auf Deutsch erscheinen wird, hat sich die Autorin die Kritik zu Herzen genommen und geht der Frage nach, warum wir Menschen, die sich um andere kümmern, so abwerten. In einem Interview sagt sie: "Eine Frau ohne Fürsorgeaufgaben verdient zwischen 92 und 96 Prozent von dem, was Männer in vergleichbaren Positionen verdienen. Eine Frau mit Fürsorgeaufgaben liegt bei 70 bis 72 Prozent." Es geht um den Stundenlohn, wohlgemerkt. Teilzeit kann diese Differenz also nicht erklären. Slaughter sagt weiter: "Was hier passiert, ist, dass wir Menschen diskriminieren, die sich um andere kümmern. Die Gesellschaft braucht es aber, dass Menschen das tun."
An dieser Stelle müssten nun Lösungsvorschläge kommen. Was können wir tun, was müssen Politiker und Unternehmen tun, um die Fürsorge und Menschen, die sie leisten, zu stärken? Anne-Marie Slaughters Buch ist mehrere hundert Seiten dick, doch der größte Teil handelt lesenswert die Beschreibung des Ist-Zustandes ab. Der Titel lautet in der deutschen Übersetzung "Was noch zu tun ist". Doch so richtig weiß das die Autorin auch nicht.
Hier Siggi-Superpapa, dort Mal-wieder-nicht-da-Manu
Sie rät, unsere Sprache zu verändern, nicht mehr nur von berufstätigen Müttern zu sprechen, sondern auch von berufstätigen Vätern. Sie wünscht sich, dass Frauen und Männer, die sich um andere kümmern, gleich behandelt werden und beschreibt das "Heiligenschein-Syndrom": Männer, die sich kümmern, werden in den Himmel gelobt, weil sie etwas außergewöhnliches tun. Von Frauen wird es erwartet, sie bekommen nichts - oder sogar Kritik.
Das konnte man vor Kurzem gut an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Familienministerin Manuela Schwesig beobachten. Ersterer nahm sich zwei Tage frei, weil seine Tochter Scharlach hatte und Spiegel Online jubelte über offensive Vaterschaft und lobte Gabriel dafür, seine Elternrolle ernst zu nehmen. Am selben Tag berichtete das Magazin Der Spiegel über Schwesig mit der Überschrift "Nicht erreichbar". Der Text malte ein abschreckendes Bild einer Ministerin, die zu oft abwesend ist und es einfach nicht hinkriegt, Familie und Beruf zu vereinbaren. Hier Siggi-Superpapa, dort Mal-wieder-nicht-da-Manu, so fasst es die taz treffend zusammen.
Slaughter fordert weiter, dass sich die Unternehmen verändern müssten und Teilzeitkarrieren zulassen und Auszeiten aus dem Job weniger hart abstrafen sollten. Ein frommer Wunsch - der Menschen, die gerade konkret damit beschäftigt sind, Erwerbs- und Fürsorgearbeit irgendwie zu kombinieren, sehr wenig bringt. Hilfreicher ist ein anderer Tipp: Reden. Und zwar mit dem Partner beziehungsweise der Partnerin.
Zu viele Paare überspringen das Gespräch darüber, wie sie sich Erwerbs- und Fürsorgearbeit einmal aufteilen wollen und glauben, dass es schon irgendwie alles gleichzeitig geht. Wenn die Kinder da oder die Eltern pflegebedürftig sind, stellen sie überrascht fest, dass das nicht der Fall ist. Sich gegenseitig Fragen zu stellen, sei weder pessimistisch noch zwanghaft, sagt die Autorin - sondern realistisch:
Wenn ich eine Beförderung bekomme, für die ich viel reisen muss, übernimmst du die Fürsorgepflichten zu Hause? Ziehen wir um, wenn einer von uns beiden einen besseren Job in einer anderen Stadt bekommt? Wenn unser Kind eine schwierige Phase hat, kannst du dir vorstellen, Stunden zu reduzieren? Wie würde es sich für dich anfühlen, wenn ich mehr verdiene als du?
Wir müssen uns ums Kümmern kümmern
Slaughter beschäftigt sich hauptsächlich mit der Fürsorge im privaten Bereich, doch bei der professionellen Pflege und Betreuung gilt das Gleiche: Es muss mehr darüber diskutiert werden, unangenehme Fragen müssen gestellt werden. Denn "Who cares?" - Wer kümmert sich und wen interessiert das? - ist eine Frage, die wir künftig besser mit "Jeder" beantworten sollten. Fürsorge und eine bessere Wertschätzung und Bezahlung derselben geht uns alle an.