Kolumne: Vor Gericht:"Ruhe auf den billigen Plätzen, meine Damen"

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Es lohnt sich zu kämpfen: die Journalistin Birte Meier. (Foto: Marlena Waldthausen)

Was eine Frau erlebt, die vor Gericht um etwas kämpft, das selbstverständlich sein sollte: das Recht auf gleichen Lohn.

Von Verena Mayer

Manchmal, wenn man sehr lange wartet, kann man vor Gericht erleben, wie sich etwas zum Besseren verändert. So wie die ZDF-Journalistin Birte Meier, die den Sender verklagte, weil sie weniger Geld verdiente als ihre männlichen Kollegen.

Als ich 2016 das erste Mal über den Fall berichtete, saß Meier am Berliner Arbeitsgericht einem Richter gegenüber, der fand, Frauen verdienten weniger, weil sie schwanger werden können oder schlecht verhandeln. Das löste Unruhe im Zuschauerraum aus, worauf der Richter sagte: "Ruhe auf den billigen Plätzen, meine Damen, da können Sie noch so viel stöhnen." In der nächsten Instanz 2019 sollte die Politikjournalistin nachweisen, dass sie als Frau diskriminiert werde. Der Sender bestritt das, entlohnt werde nach Qualifikation und Betriebszugehörigkeit. Meiers Anwältin trug vor, dass Frauen in Meiers Redaktion in der Minderzahl seien und ein Chef bei einer Weihnachtsfeier gesagt habe, Frauen hätten im politischen Journalismus nichts zu suchen.

Dem Gericht reichte das nicht, es wies die Klage ab. Doch während Meier über die Jahre immer wieder im Businesskostüm in irgendwelchen Gerichtssälen saß, veränderte sich etwas. 2017 gab es ein neues Gesetz, das es möglich macht, Auskunft über die Gehälter der Kollegen zu bekommen, das Entgelttransparenzgesetz. Und da waren weitere Frauen, die gegen Lohnungleichheit vor Gericht zogen. Eine Abteilungsleiterin bei einer Versicherung. Eine Diplomkauffrau. Eine Bürgermeisterin, die ihre Stadt verklagte. Sobald irgendwo Google Alerts über so einen Fall angingen, erzählte mir Meier einmal, habe sie deren Anwälte angeschrieben und ihnen gesagt: Wir sind hier eine kleine Whatsapp-Gruppe.

Die sei zwar immer noch klein, aber die Frauen haben wichtige Grundsatzurteile erstritten. Meier setzte 2020 durch, dass das Entgelttransparenzgesetz auch für freie Mitarbeiterinnen wie sie gilt und nicht nur für Festangestellte. Die Abteilungsleiterin aus der Whatsapp-Gruppe erreichte, dass es bei Gericht künftig eine Beweislastumkehr gibt. Also dass nicht eine Frau nachweisen muss, dass sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert wird, sondern der Arbeitgeber gute Gründe angeben muss, warum er sie schlechter bezahlt als Männer in vergleichbaren Jobs. Und die Diplomkauffrau sorgte dafür, dass das Argument, Männer hätten besser verhandelt, vor Gericht keinen Bestand mehr hat.

Diese Woche hat sich Birte Meier nun mit dem ZDF geeinigt und vom Sender Geld bekommen. Wie viel, wurde nicht bekannt, weder Meier noch das ZDF äußern sich dazu. Aus der Sicht des Jahres 2023 kommt einem die ganze Geschichte ein wenig absurd vor. So sagt dann auch eine ZDF-Personalrätin, dass es einen solchen Fall beim Sender heute nicht mehr geben würde. Weil sich die Kultur verändert habe und besonders die jüngeren Frauen ganz andere Fragen stellen würden als noch vor zehn Jahren. Die Geschichte zeigt aber auch, was für viele Rechte gilt: wie lange einige wenige Menschen für Dinge kämpfen müssen, die später vielen selbstverständlich erscheinen.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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