Greta Thunberg auf der "Vogue":Pferderwärmung

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Robert Habeck und Greta Thunberg in ähnlicher Inszenierung. Der eine für Instagram, die andere für die skandinavische Vogue. (Foto: Fenja Hardel via https://twitter.com/therealhabeck, Vogue)

Der Titel der ersten Ausgabe der skandinavischen "Vogue" zeigt Greta Thunberg - und ein Pferd. Was hat dieses Tier nur, was andere nicht haben? Ein Galopp in Gedanken.

Von Cornelius Pollmer

Eine erstaunlichere politische Karriere als die des Pferdes ist kaum vorstellbar. Das Pferd war und ist immer dabei, wenn es um Macht und damit hoch hergeht. Es war dabei, als Kreuze noch nicht auf Wahlzetteln gemacht wurden, sondern auf Schilder, die vor Schwertern schützen sollten. Es ist jetzt dabei in einer Zeit, in der politische Macht wesentlich an die Fähigkeit gekoppelt ist, Aufmerksamkeit für eine Sache organisieren zu können.

Fähig in nicht nur diesem Sinne ist die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg. Diese ziert das gerade veröffentlichte erste Cover der skandinavischen Vogue. Sie ist darauf zu sehen in einem Stück Wald, von dem selbst Annalena Baerbock nicht behaupten würde, es befinde sich im Oderbruch. Und sie ist dort zu sehen nicht etwa mit einem Hund oder einem Stirnlappenbasilisken, sondern mit einem Pferd. Vom Kriegshufer zum very important Pferd auf dem Titel einer Modezeitschrift allerdings war es ein selbst für dieses Tier weiter Weg.

Die Priester zu Tacitus-Zeiten hielten Pferde für "die Vertrauten der Götter"

Spuren respektive Sporen der Macht des Pferdes als Symbol finden sich allüberall. Der Großrömer Tacitus schrieb über die Priester seiner Zeit, sie hielten Pferde für "die Vertrauten der Götter". Vielleicht auch deswegen hatten sich die cleveren Sachsenhäuptlinge Hengest und Horsa zuvor schon leise wiehernde Namen gegeben. Marengo wiederum, ein Reit- und Kriegspferd Napoleons, hat eine interessantere Biografie, als die meisten Menschen für sich in Anspruch nehmen könnten. Und so geht es immer weiter.

Als Insigne der Macht gilt das Pferd heute nicht mehr exklusiv. Verantwortung dafür tragen auch Politiker, die mit dem Symbol zuletzt nicht immer glücklich operierten. Die vormalige Ministerpräsidentin Thüringens, Christine Lieberknecht, goss früher Pferdeköpfe aus Gips und verkaufte sie auf Bauernmärkten. Der vormalige Außenminister Klaus Kinkel bestieg einst ein Pferd in der Hoffnung auf für ihn günstige Bildberichterstattung. Die taz berichtete wie folgt: "Kraftprotz Kinkel stürzte rasch / Erster Abwurf für den neuen FDP-Chef".

Einen schmerzlichen Abwurf, wenigstens im übertragenen Sinne, erlebte vor einem Jahr auch der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck. Bei einer Wanderung mit dem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins entdeckte Habeck eine Herde Pferde, und auch er sah gleich mehr als die Tiere selbst, er sah eine Photo op, eine Chance auf gute Bilder. Es wurden wirklich welche, einerseits. Auf einem Bild steht ein Pferd auf der Flur und Habeck nur staunend am Rand. Auf einem anderen meliert das Grau seiner Haare optisch fast nahtlos in jenes der Tiere.

"Schnuppern" scheint ein zu schwaches Verb zu sein für das, was da zu sehen ist. Auch Robert Habeck fühlte ausweislich des Bildtextes bei Instagram mehr: "Wenn man eine Herde Koniks trifft und sich still auf den Boden legt, kommen sie manchmal und schnuppern an einem. Das ist so dicht an Magie, wie man kommen kann." Das Urteil vieler politischer Beobachter jedoch fiel alles andere als magisch aus. Ein Spitzenpolitiker als Pferdeflüsterer, konnte man das und den noch ernst nehmen? Die Zeit zitierte einen Weggefährten Habecks, der sagte, "als ich das gesehen habe, dachte ich, jetzt sind mit Robert die Koniks durchgegangen".

Beim "horse race journalism" geht es vorwiegend um den täglichen Egomanenkampf

Teil des Problems war und ist immer mehr natürlich auch das, was horse race journalism genannt wird, aber etwas anderes meint. Der Begriff steht für eine Art Scheuklappen-Journalismus, der vor allem jenen täglichen Egomanen- und Hahnenkampf betrachtet, den vorwiegend Männer in der Politik aufführen. Er meint einen Journalismus, der sich von wirklich wichtigen Dingen also ablenken lässt und sich vor allem für Haltungsnoten, Parteiinterna und Zänkisches interessiert, für die Frage also, wer wen warum doof findet und deshalb ärgern will. Wie solcher Journalismus zu niemandes Vorteil schiefgehen kann, bewies just am Sonntag das ZDF einmal mehr in einem Sommerinterview mit, kleiner Trommelwirbel: Robert Habeck.

Auf die skandinavische Vogue und deren Interview mit Greta Thunberg trifft der Vorwurf des Pferderennenjournalismus nicht zu, auch das Pferd auf dem Cover wird sich in dieser Sache nicht übel nachreden lassen müssen. Thunberg spricht in der Zeitschrift über die Modeindustrie, über Fast Fashion und das große Ärgernis, dass viele Modefirmen lieber viel Geld investierten, um irgendwie grüner zu wirken als wirklich grüner zu werden im Sinne des Klimaschutzes. Auch die sozialen Bedingungen der Herstellung von Massenmode werden thematisiert, es wird also ein bisschen woke in der Vogue.

Die Veröffentlichung des Thunberg-und-Pferd-Covers fällt eher zufällig zusammen mit der eines einmal mehr verheerenden Berichts des Weltklimarats. Es ist nicht vorstellbar, dass politische Fotografie mit Flora und Fauna je wieder wird zurückfallen können in dusselige Plumpheit, die sämtliche Bedrohungslagen der Welt fröhlich ausblendet. Auch dafür stehen das Vogue-Cover und das Gespräch mit Thunberg durchaus exemplarisch. Auf dem Titel trägt die Aktivistin durch Recycling gewonnene Mode, im Heft erzählt sie, vor drei Jahren das letzte Mal Kleidung gekauft zu haben, secondhand. Seitdem leihe sie lieber von Leuten, die sie kenne.

Die gefühlte optische Nähe zwischen den Motiven Thunberg jetzt und Habeck 2020 ist übrigens zufällig. Die Fotografen Iris und Mattias Alexandrov Klum schreiben auf eine kleine Nachfragemail samt Habeck-Foto freundlich zurück: "We did not previously see this nice cover with Mr Habeck."

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