Erfundenes Interview mit Laschet:Ausgedachte Liebe zur Türkei

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"Ich habe eine große Liebe zur Türkei", soll Armin Laschet angeblich gesagt haben. (Foto: dpa)

Auf einer regierungsnahen türkischen Nachrichtenseite ist ein offenbar erfundenes Interview von Faruk Şen mit Armin Laschet erschienen. Nun ist es gelöscht.

Von Tomas Avenarius und Boris Herrmann

Nanu, was hat denn Armin Laschet da schon wieder gesagt? "Ich habe eine große Liebe zur Türkei", wurde der Kanzlerkandidat der Union in einem Interview mit der regierungsnahen türkischen Nachrichtenseite Brandday.net zitiert. Die Aussage sorgte in türkischsprachigen Medien für gewisse Furore, die extrem regierungsnahe Tageszeitung Sabah druckte eine Zusammenfassung des Gesprächs ab und nahm Laschets Liebe zur Türkei auf die Titelseite. Das Problem ist nur: Das angebliche Interview mit dem CDU-Chef und Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen ist offenbar frei erfunden.

Das teilt jedenfalls ein Sprecher der Staatskanzlei in Düsseldorf auf SZ-Anfrage mit: "Es hat kein Interview gegeben und auch kein Gespräch." Zuerst hatte die deutsche Tageszeitung Die Welt über das mutmaßliche Fake-Interview berichtet. Am Donnerstag war es wieder von der Webseite Brandday.net verschwunden.

Was Laschet in dem Gespräch gesagt haben soll, ist teils erwartbar, teils sehr ungeschickt. So spricht der Kanzlerkandidat der Union sich angeblich eindeutig für die SPD als bevorzugten Regierungspartner aus und wirbt nebenbei für bessere Beziehungen zu Russland und zu China. Vor allem aber betont er, welche wichtige Rolle die Stimmen der rund eineinhalb Millionen Wähler mit türkischen Wurzeln im Kampf um das Kanzleramt spielen werden und dass er diese Wähler hinter sich zu haben glaube.

Der Interviewer ist ein alter Bekannter, einer der bekanntesten Deutsch-Türken: Faruk Şen.

Geführt haben will das angebliche Interview allerdings ein alter Bekannter von Laschet: Faruk Şen, viele Jahre einer der bekanntesten Deutsch-Türken. Der studierte Betriebswirt hatte mit seinem "Zentrum für Türkeistudien" jahrzehntelang über das deutsch-türkische Verhältnis, die Lage der Migranten in Deutschland und deren politische Prioritäten geforscht und die Debatten oft beeinflusst.

Şen war mit seinem Institut ein gern gesehener Ansprechpartner der Politik und der Medien, galt aber zugleich als der Lautsprecher Ankaras. 2008 wurde Şen die Leitung des Zentrums für Türkei-Studien nach einem Skandal entzogen: Er hatte die Situation der Türken in Deutschland mit der Lage der Juden im Dritten Reich verglichen.

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In dem offenbar ausgedachten Gespräch hofiert Laschet, der in seiner Zeit als NRW-Integrationsminister (2005 bis 2010) den damals nicht nur nett gemeinten Spitznamen "Türken-Armin" verpasst bekam, die Türkei und die Türken. Er werde sich als Kanzler für ein "sehr ernsthaftes deutsch-türkisches Partnerschaftsabkommen" starkmachen.

Die Nachrichtenseite Brandday.net betreibt übrigens: Faruk Şen. Zu all dem passt, dass der eigentlich SPD-nahe Şen es sich auf die Fahne geschrieben hat, dem Unionsmann Laschet zum Wahlsieg zu verhelfen. Das wäre für einen CDU-Kanzlerkandidaten eigentlich kein uninteressantes Angebot. Aber ob die von Şen selbst im Gespräch mit der SZ ausdrücklich erklärte Unterstützung für Laschet mit diesem wirklich und förmlich abgesprochen ist, weiß auch noch keiner.

Zu seinem fragwürdigen Interview selbst wollte Şen, der inzwischen wieder in der Türkei ist, der SZ hingegen nichts sagen. Lieber betonte er, dass die Deutsch-Türken - fast die Hälfte der mehr als drei Millionen in Deutschland lebenden Türken oder türkischstämmigen Menschen dürfen bei der Bundestagswahl wählen - ein interessantes Wählerpotential darstellen. Und da er derzeit gerade im Brandgebiet am Mittelmeer sei, wolle er noch eines hinzufügen: Die Europäische Union habe riesige Hilfsfonds für Notlagen angelegt, "mit diesen Geldern sollte sie der Türkei jetzt helfen".

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