Opernsängerin:„Schande Netrebko!“: Opernstar spaltet mit Auftritt

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Anna Netrebko steht im Fürstenschloss St. Emmeram während der Schlossfestspiele auf der Bühne. (Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild)

Drinnen ausverkauftes Haus, draußen Protest - der Auftritt von Opernstar Anna Netrebko in der Berliner Staatsoper sorgt für Diskussion. Vom Krieg hat sie sich distanziert. Kritik gibt es dennoch.

Von Gerd Roth, dpa

Berlin (dpa) - Künstlerisch ist sie über jeden Zweifel erhaben. Seit Jahren wird die Sopranistin Anna Netrebko auf internationalen Bühnen frenetisch gefeiert. Doch seit Beginn des Ukraine-Krieges ist die geborene Russin, die inzwischen auch einen österreichischen Pass besitzt, nicht mehr überall gern gesehen. Die 51-Jährige ist wegen angeblicher Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Kritik geraten. Erstmals seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 hat die Staatsoper Unter den Linden Netrebko nun für vier Abende in der Rolle der machthungrigen Lady Macbeth gebucht. Das sorgt für heftige Diskussionen.

Staatsoper und Sängerin verbindet eine jahrelange Geschichte. Die Zusammenarbeit legte das Opernhaus mit Kriegsbeginn auf Eis. „Wir schätzen Anna Netrebko als herausragende Sängerin, und es verbindet uns eine langjährige, künstlerische Partnerschaft“, hieß es im März 2022. „Gleichzeitig sehen wir angesichts des brutalen Krieges keine Möglichkeit für eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit.“

Gut eineinhalb Jahre und persönliche Gespräche später hat sich Intendant Matthias Schulz, dessen Haus sich mit Veranstaltungen mehrfach klar für die Ukraine positioniert hat, ein neues Bild von der Situation gemacht. „Es ist wichtig, hier differenziert vorzugehen und zwischen vor und nach dem Kriegsausbruch zu unterscheiden“, heißt es inzwischen. Netrebko habe seitdem keine Engagements in Russland angenommen, und es gebe auch weiterhin keinerlei Vorhaben für Auftritte in Russland. „Es ist, denke ich, auch ein sehr wichtiges Zeichen, dass Anna Netrebko auf so einer Bühne, die so klar ukrainisch positioniert ist, singt“, sagte Schulz nun in einem Interview.

Die Sängerin hat in einem früheren Statement versucht, ihre Position zu verdeutlichen. „Ich verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich, und meine Gedanken sind bei den Opfern dieses Krieges und ihren Familien“, heißt es darin. „Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten.“

Kritiker werfen ihr etwa Auftritte mit Putin vor, den sie „in meinem ganzen Leben nur eine Handvoll Mal getroffen“ habe, oder Fotos, die als russische Propaganda interpretiert werden.

Nach einer Auszeit von den Bühnen der Welt tritt Netrebko inzwischen wieder international auf. Sie wird dabei von ihren Fans ebenso gefeiert wie von Gegnern kritisiert. In der Staatsoper waren am Freitag für „Macbeth“ alle knapp 1400 Plätze ausverkauft.

Kurz vor dem Auftritt Netrebkos protestierten nach Polizeischätzungen rund 150 Menschen gegen das Engagement in Berlin. Vor dem Opernhaus demonstrierten sie mit ukrainischen Fahnen, Plakaten und Rufen wie „No Netrebko!“ und „Schande Netrebko“ vor Vorstellungsbeginn. Die Polizei schirmte die Demonstrierenden mit Gittern vom Opernpublikum ab.

Zuvor hatten der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev und Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) die Fotoausstellung „Russian War Crimes“ in der Humboldt-Universität direkt gegenüber der Staatsoper besucht. Dort zeigen Fotos die grausamen Folgen der Angriffe auf Zivilisten und Infrastruktur in der Ukraine.

Makeiev zeigte Verständnis dafür, dass die politisch Verantwortlichen keinen direkten Einfluss auf die Oper ausüben. Er habe versucht, dem Intendanten Matthias Schulz zu erklären, warum er den Auftritt für überhaupt nicht angebracht halte. „Leider habe ich keine akzeptable Antwort bekommen“, sagte Makeiev.

„Der Krieg scheint immer mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten“, sagte Chialo. Bei dem Besuch sei es darum gegangen, „die Gräueltaten wieder einmal ins Gedächtnis zu rufen“. Er verwies darauf, dass bei den Angriffen Kinder ums Leben gekommen und auch Kultureinrichtungen zerstört worden seien. „Das ist dort die Realität, während wir hier in Deutschland unser kulturelles Leben relativ unbeschwert genießen können.“

© dpa-infocom, dpa:230914-99-196655/6

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