Gotha:Nach Jahrzehnten: Gestohlene Kunst eventuell aufgetaucht

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Die Beute aus einem der größten Kunstdiebstähle der DDR vor vierzig Jahren ist möglicherweise wieder aufgetaucht. Fünf Bilder, bei denen es sich um hochkarätige...

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Gotha/Berlin (dpa) - Die Beute aus einem der größten Kunstdiebstähle der DDR vor vierzig Jahren ist möglicherweise wieder aufgetaucht. Fünf Bilder, bei denen es sich um hochkarätige Gemälde handeln könnte, die aus dem Schlossmuseum im thüringischen Gotha gestohlen wurden, werden derzeit in Berlin untersucht. Wie die Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha am Freitag mitteilte, überprüft das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen Berlin, ob es sich um die 1979 gestohlenen Werke handelt. Parallel ermittelt die Polizei gegen zwei Männer wegen des Verdachts der Kunsthehlerei und Erpressung. Zuvor hatte der „Der Spiegel“ berichtet.

Der Stiftung zufolge waren im Juli 2018 anonyme Personen über einen Anwalt an die Einrichtung herangetreten. Diese hätten erklärt, die Gemälde zu besitzen, hätten aber keine plausible Erwerbsgeschichte angegeben. Der damalige Stiftungsratsvorsitzende und Oberbürgermeister Gothas, Knut Kreuch (SPD), habe mit dem Anwalt verhandelt - unterstützt durch die Ernst von Siemens Kunststiftung. So sei es schließlich zur Übergabe der Bilder Ende September 2019 gekommen.

Am Donnerstag habe es zudem bundesweite Durchsuchungen gegeben, die mit dem Kunstdiebstahl in Verbindung stünden, so die Stiftung weiter. Diese seien vom Landeskriminalamt (LKA) Berlin in Kooperation mit den jeweiligen Kriminalisten der betroffenen Bundesländer erfolgt. Ob sich die Durchsuchungen gegen zwei Verdächtige richteten, gegen die in der Sache bereits ermittelt wird, teilte die Polizei in Berlin nicht mit. Unklar war zunächst auch, seit wann die Polizei in Berlin ermittelt und wie viele Objekte durchsucht wurden.

Bei den Verdächtigen handelt es sich nach Polizeiangaben um zwei deutsche Männer im Alter von 46 und 54 Jahren. Gegen sie werde wegen des Verdachts der Erpressung und der Kunsthehlerei ermittelt. Laut „Spiegel“ geht es dabei um den Einlieferer der Bilder in Berlin, ein Arzt aus Ostfriesland, und einen Anwalt aus Süddeutschland, der mit der Stiftung Kontakt aufgenommen hatte.

Zuständig ist das Dezernat 44 des LKA. Dort gibt es ein eigenes Kommissariat für Kunstdelikte. Nach Angaben der Polizei hatte sich die Stiftung vor einiger Zeit mit Hinweisen zu dem Fall gemeldet. Daraufhin seien die Ermittlungen eingeleitet worden.

Die Bilder waren in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 1979 verschwunden. Es handelt sich um die Werke „Brustbild eines jungen Mannes“ von Frans Hals, „Landstraße mit Bauernwagen und Kühen“ von Jan Brueghel dem Älteren, „Selbstbildnis mit Sonnenblume“ von Anthonis van Dyck, „Alter Mann“ von Jan Lievens sowie von Hans Holbein dem Älteren „Heilige Katharina“. Ihr Wert war damals mit etwa fünf Millionen DDR-Mark angegeben worden.

Mindestens ein Täter hatte sich in der düsteren und stürmischen Nacht mit Steigeisen Zugang zu dem Ausstellungsraum in der dritten Etage des Barockschlosses verschafft. Eine neu installierte Alarmanlage sollte erst wenige Tage später scharf geschaltet werden. Eine Sonderkommission ermittelte und stand auch nach Wochen noch ohne Ergebnis da. Über den Diebstahl wurde viel spekuliert, wilde Gerüchte machten die Runde. Manche Experten gingen etwa von einer Auftragsarbeit aus.

„Seit vierzig Jahren liegt diese Tat wie ein ungeklärtes Trauma über der Stadt. Die Hoffnung, die wertvollen Gemälde eines Tages wieder zu bekommen, hatten viele Menschen schon aufgegeben“, teilte Oberbürgermeister Kreuch, der damals 13 Jahre alt war, mit. Die Aufklärung des Kunstraubs von Gotha sei ein Lebenstraum für ihn. Er wolle die laufenden Gespräche fortsetzen.

Die Verjährungsfrist für die Tat ist bereits im Dezember 2009 abgelaufen. Sollte es sich bei den Bildern tatsächlich um das Diebesgut handeln, ist eine juristische Auseinandersetzung nicht auszuschließen. Die Stiftung gab an, dass sich ihre Rechtspositionen „fundamental“ von der der Verhandlungspartner unterscheiden.

Die Stiftung vertritt den Standpunkt, durch den Diebstahl nie ihr Eigentum verloren zu haben, und sagt, dass die Bilder - sollten es die Originale sein - durch die Übergabe nun im Besitz der rechtmäßigen Eigentümerin sind. Die Ernst von Siemens Kunststiftung habe den zwischenzeitlichen Besitzern eine „moderate Aufwandsentschädigung“ in Aussicht gestellt. Auch ein „Finderlohn“ sei denkbar.

Ein solcher wurde etwa bei der Rückführung des Barock-Stilllebens „Blumen in einer Wanli-Vase“ von Balthasar van der Ast (1628) gezahlt. So konnte das Bild, das dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen in den Nachkriegswirren abhandengekommen war, 2017 für einen Preis deutlich unter Marktwert wieder zurückerstanden werden.

Auch im Zusammenhang mit dem Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden vor knapp zwei Wochen war dem Gothaer Fall wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden.

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