Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Lesezeit: 4 Min.

Fragwürdiges Drama: Paula Beer (Mitte) als jüdische Denunziantin Stella Goldschlag in "Stella. Ein Leben". (Foto: Christian Schulz/Letterbox/ Majestic Film)

Ein College-Drama mit Paul Giamatti gelingt wunderbar, und ein deutscher Holocaust-Film geht daneben. Die Starts der Woche in Kürze.

Von Johanna Adorján, Sofia Glasl, Fritz Göttler, Josef Grübl, Doris Kuhn, Annett Scheffel, Philipp Stadelmaier, Anke Sterneborg und Susan Vahabzadeh

Die Ausstattung der Welt

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Philipp Stadelmaier: Susanne Weirich und Robert Bramkamp begeben sich auf einen semifiktionalen Streifzug durch die Sammlungen deutscher Filmrequisitenlager. In der heterotopen Welt der Archive werden Ordnungen entdeckt und infrage gestellt - vor allem von einer Forscherin in Postcolonial Studies (gespielt von Thelma Buabeng). Deren Kritik an exotistischen Objekten verleiht dem Film eine Legitimität, die der drohenden Beliebigkeit bei der Verkettung der Objekte und Filmbilder entgegenwirkt.

Das Erwachen der Jägerin

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Doris Kuhn: Tief im Wald wohnt ein Jäger mit Frau und Kind. Er lehrt die Tochter sein Survival-Wissen, sie liebt ihn sehr. Dann wird er wegen früherer Vergehen verhaftet, von jetzt an wächst das Mädchen in der Großstadt auf. Jahre später kommt ein Showdown zwischen ihr und dem Vater, der sie mit Gewalt zurück in die Wildnis zwingen will. Neil Burger macht aus einer Outdoor-Story einen Entführungsthriller, dessen Schrecken wenig bedrohlich wirken, weil das Leben in der Natur vorher so prächtig dargestellt war.

Home Sweet Home - Wo das Böse wohnt

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Sofia Glasl: Ein einsames Familienanwesen im Wald, eine hochschwangere Frau allein zu Hause und dann: Stromausfall. Filmemacher Thomas Sieben braucht nicht viel, um Spannung zu erzeugen. Er folgt der jungen Ehefrau Maria eineinhalb Stunden durch ihr neues Heim, ganz ohne erkennbaren Schnitt, ein klaustrophobisches Kammerspiel. All das funktioniert im ersten Drittel blendend, knickt dann jedoch unter den zu hoch aufgetürmten Handlungsbrocken ein, die nicht automatisch ein Ganzes ergeben: dunkles Familiengeheimnis aus dem Keller, ein übergriffiger Schwiegervater, und dann setzen natürlich auch noch die Wehen ein. Da wäre weniger mehr gewesen.

Johnny & Me

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Fritz Göttler: Krieg, Protest, Dada, Kunst: John Heartfield ist heute nicht unbedingt präsent, einst war er ein Meister des politischen Copy & Paste. Er fing mit Buchumschlägen für den Malik-Verlag an, arbeitete für Max Reinhardt, und seine politischen Plakate brachten einst die politische Wirklichkeit auf den Punkt, erzählten vom Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus - die Nazi-Parteichargen als Marionetten der Wirtschaft. Das berühmte Plakat, Hitler, der die Hand aufhält und riesige Geldbeträge hineingelegt bekommt: Millionen stehen hinter mir! Heartfield ging in die Emigration, seine Werke wurden nach Deutschland geschmuggelt, als er nach dem Krieg in die DDR kam, gab es auch dort Zurückhaltung: Verdacht auf Formalismus. Der Kampf der Bilder ist (auch heute) nicht vorbei. Die Grafikerin Stephanie forscht in dem Film von Katrin Rothe über Johnny, ganz praktisch, mit Schere und Leim, indem sie ihn mit liebevoller gradliniger Animation zum Leinwandleben erweckt und den Dialog mit ihm eröffnet.

Mean Girls - Der Girls Club

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Annett Scheffel: Erzählt wird noch einmal die gleiche Geschichte wie in der Kultkomödie von 2004 - nur diesmal als Musical, mit noch mehr zuckriger Highschool-Drama-Überladung und ein paar Updates (z. B. sind die Kids jetzt wirklich queer und nicht nur gerüchteweise). Leider sind die Songs nur mittelmäßig und Hauptdarstellerin Reneé Rapp lange nicht so "mean" wie Rachel McAdams im Original. Überhaupt sind gefühlt alle netter und braver als vor 20 Jahren. Beeindruckend punktgenau kalibriert ist dafür die Zielgruppenausrichtung auf die Schnittmenge aus alten Tina-Fey-Fans (die wieder das Drehbuch geschrieben hat) und der Gen Z, die mit der Serie "Sex Education" erwachsen wird.

Plastic Fantastic

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Josef Grübl: Wer einen weiteren Beweis dafür sucht, in welch wahnwitzigen Zeiten wir leben, muss sich nur unseren Umgang mit Kunststoffen anschauen: Sie sind überall, keiner kommt ohne sie aus - sie bleiben aber auch überall, keiner weiß, was mit ihnen passiert. Plastik ist in der Luft, im Wasser, in uns. In diesem Dokumentarfilm von Isa Willinger sprechen Wissenschaftler, Reporter, Aktivistinnen oder Lobbyisten über die Mikroplastikflut in den Meeren oder den Filterstaub in Müllverbrennungsanlagen. Und vermutlich ist genau das der richtige Ansatz: Die Plastik-Krise geht uns alle an, alle sind gefordert, alle müssen handeln.

Roxy

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Anke Sterneborg: Taxifahrer Thomas Brenner (Devid Striesow) verbringt ein einfaches Leben in der ewigen Schleife zwischen Bahnhof und den Zielorten in seiner Heimatstadt Baden-Baden. Eine unerwartet aufregende Wendung nimmt es, als drei Russen mit dem Kampfhund Roxy in sein Auto steigen. Es gibt viel Geld für kleine Gefälligkeiten, und die Aufforderung, in den nächsten Tagen zur Verfügung zu stehen. "Du fragst nie, machst immer, was gesagt wird", kommentiert der in Schwierigkeiten steckende Boss anerkennend. Thomas reagiert mit minimalistischer Mimik auf die zunehmend eskalierende Gewalt, die sein Junggesellenleben aus den Fugen treibt, aber irgendwie auch interessanter gestaltet. Verschmitztes Understatement mit finnischem Flair bestimmt diesen Thriller des Georgiers Dito Tsintsadze, der die Absurdität der Ereignisse unaufgeregt abgründig entfaltet und ganz nebenbei eine Wahrheit über die Welt parat hält: Loyalität ist mit Moral nicht zu vereinbaren.

Stella. Ein Leben.

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Johanna Adorján: Ein neuer Historienfilm, der direkt angestaubt wirkt: Böse Nazis und traurige Juden, alles sieht nach Kostüm und Kulisse aus. Im Mittelpunkt steht Stella Goldschlag, die es wirklich gegeben hat: Als jüdische "Greiferin" verriet sie untergetauchte Berliner Juden an die Gestapo und schickte sie so in ihren sicheren Tod. Der Film (Regie Kilian Riedhof) scheint sich dafür zu schämen, dieser Verräterin so einen großen Auftritt zu schenken (gespielt wird sie immerhin von Paula Beer), und macht sie daher vorsichtshalber durch sehr viel Gewalt, die ihr permanent angetan wird, selbst zum Opfer. In jeder Hinsicht schwer auszuhalten.

The Holdovers

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Susan Vahabzadeh: Es ist Weihnachten 1970, und der kauzige Geschichtslehrer Paul Hunham (großartig: Paul Giamatti) muss im Elite-Internat auf die Kinder aufpassen, die ihre Eltern über die Feiertage nicht abholen werden. Als der Weihnachtsabend naht, ist nur ein Junge übrig - Tully, der den Schmerz über den Verlust seines Vaters hinter Arroganz verbirgt. Hunham, der Junge und die schroffe Köchin, die den Tod ihres Sohnes betrauert, wachsen in wenigen Tagen zu einer unwahrscheinlichen Familie zusammen, und es ist gleichermaßen komisch und bewegend, ihnen dabei zuzusehen, wie sie herausfinden, was ihnen wichtig ist. Alexander Payne ist aller Zynismus fremd - und hier erzählt er eine Geschichte, die der Gegenwart auf jeder Ebene entrückt ist und genau deswegen mit ihr zu tun hat.

Trunk: Locked In

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Anke Sterneborg: Auf der Suche nach Freiheit und Romantik landet die 28-jährige deutsche Rucksacktouristin Malina (Sina Martens) in der Enge eines dreckigen Kofferraums, ohne Erinnerung, wie es dazu kam. Sukzessiv sammelt sie Hinweise über ihre Situation und mögliche Auswege. In seinem Spielfilmdebüt variiert Marc Schließer das Kino der extremen Beschränkungen von Raum und Zeit, doch statt auf seine charismatische Hauptdarstellerin zu bauen und auf die Kraft der Situation, verläppert er die starke Geschichte mit profanen, geschwätzigen Dialogen und inflationärem Handy-Einsatz. (Amazon Prime)

The Woddafucka Thing

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Doris Kuhn: Klischeefrei durch die Hauptstadt: Eine schlecht gelaunte Teilzeit-Gangsterin versaut einen Geldboten-Job und hat dann eine Woche Zeit, ihrem gefährlich eleganten Boss 150 000 Euro zu ersetzen. Das ist der MacGuffin für eine Berliner Liebes- und Kriminalgeschichte zwischen Italienern, Türken, Afrikanern, leicht exzentrisch, ziemlich ironisch, und gedreht in schwarz-weißem Cinemascope. Guter Gedanke, denn so kann Gianluca Vallero die Coolness seines Migranten-Casts bestens rüberbringen.

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:Das Gespenst

Im neuen Film "Stella" spielt Paula Beer die jüdische Denunziantin Stella Goldschlag. Warum fasziniert die Geschichte so - und warum sind deutsche Filme über den Holocaust generell nicht besser?

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