"Rivale" im Kino:Was soll das alles?

Lesezeit: 2 min

Die Jungswut von Roman (Yelizar Nazarenko) ist archaisch, aber gerechtfertigt. (Foto: Drop-Out Cinema)

Ein Junge kommt aus der Ukraine nach Deutschland und ist wütend. "Rivale" ist ein beeindruckender Film über gerechten Kinderzorn.

Von Kathleen Hildebrand

Bevor der Krieg alles andere überschattete, hörte man oft von einem anderen Leid, wenn es um die Ukraine ging: von der Ausbeutung von Frauen, die ihre eigenen Familien zurückließen, um sich in Deutschland um Alte und Kranke zu kümmern. Als schlecht bezahlte Pflegekräfte, zum Teil ohne Aufenthaltsgenehmigung, die in ständiger Sorge lebten, auch noch dieses kleine Einkommen zu verlieren.

In Marcus Lenz' Film "Rivale" geht es um diese Ungerechtigkeit. Und es wird Ukrainern kein Trost sein, dass der russische Angriff auf ihr Land immerhin dazu geführt hat, dass man sie hier nun wesentlich warmherziger willkommen heißt. Lenz' beeindruckender junger Hauptdarsteller Yelizar Nazarenko, der den neunjährigen Roman spielt, ist heute 14. Er musste mit seiner Mutter nach Berlin fliehen, sein Vater und sein älterer Bruder kämpfen im Krieg.

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Dass das Elend in der Welt noch mal um einiges größer geworden ist, seit dieser Film entstand, ändert nichts an seiner schmerzhaften Wucht. Der kleine Roman wächst in der ländlichen Ukraine auf. Dann stirbt seine Großmutter, und er muss in einem Laster nach Deutschland geschmuggelt werden, zu seiner Mutter. Allein wie dieser schmale Junge zwischen Kisten versteckt wird, damit die Grenzbeamten ihn nicht finden, ist schwer auszuhalten. Lenz' Film funktioniert so: Er tut sehr konkret weh, weil man alles mit Roman gemeinsam fühlt. Die Kamera bleibt ganz nah an ihm dran, an seinen Sommersprossenwangen, an den Schultern, unter deren Haut sofort die Knochen kommen. Aber der Schmerz hat immer auch eine zweite Ebene, und die ist politisch.

"Rivale" hat allem Schmerz zum Trotz auch eine sanft komödiantische Ebene

In Deutschland angekommen, geht es weiter mit dem Verstecken. Romans Mutter Oksana wohnt bei Gert, aber dass sie da ist, darf niemand wissen. Gerts Frau, die sie gepflegt hat, ist schon gestorben. Natürlich hasst Roman Gert, obwohl der sich um ihn bemüht. Romans archaische Jungswut glüht durch seine blasse Haut. Der erste kindliche Mordversuch lässt nicht lange auf sich warten.

Dann muss Oksana mit einem Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus, und bald stehen Polizisten vor Gerts Rentnerwohnung. Auch er ist jetzt ein Krimineller. Obwohl er vielleicht vor Jahren einfach nur ein Mann war, der seine kranke Frau zu Hause behalten wollte und sich die Pflege anders als illegal nicht leisten konnte. Auch er ist hier nicht der Böse.

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Aber wie soll ein Neunjähriger, der kein Wort versteht, das begreifen? Überhaupt, wieso das alles? Wie kann es sein, dass es gegen das Gesetz ist, ein einsames Kind zu seiner Mutter zu bringen? Wieso muss Oxana bei Gert bleiben, wenn sie eine gute, das heißt, finanziell abgesicherte Mutter sein will? Es ist alles so falsch, und Roman hat so recht.

Am Ende steht er mit einem Gewehr in der Hand im Wald und schreit einen Pilzsammler an, wie ein verschrecktes Tier, das keinen Ausweg sieht. Bei allem Schmerz, den man beim Zuschauen fühlt, hat "Rivale" - ja, doch - auch eine sanft komödiantische Ebene, was daran liegt, dass die Verhältnisse so absurd sind. Wie ein verdammt schlechter Witz.

Rivale , D 2022 - Regie: Marcus Lenz, Buch: Lars Hubrich, M. Lenz. Kamera: Frank Amann. Mit: Yelizar Nazarenko, Udo Samel, Maria Bruni. Drop Out, 96 Minuten. Kinostart: 2. Juni 2022.

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