Soziologin Eva Illouz über die Linke und Identitätspolitik:Unter Opfern

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"Das einzig Konstruktive wäre jetzt, wenn Juden und Araber, die in Demokratien zusammenleben, aus eigener Kraft ein Bündnis eingingen": Eva Illouz. (Foto: James Startt)

Wir Linken kämpften einst für gemeinsame, universale Werte. Geblieben sind Leidenskonkurrenz und paranoide Selbstbespiegelung. Die Profiteure? Stehen weit rechts.

Gastbeitrag von Eva Illouz

Es gab eine Zeit, in der wir mehrere Werte gleichzeitig zu vertreten in der Lage waren: Gleichheit und Freiheit, Antirassismus und Meinungsfreiheit, Vielfalt und Toleranz. Das momentane politische Klima - insbesondere im linken Spektrum - hat sich drastisch verändert. Wir sind jetzt dazu angehalten, uns für ein Lager zu entscheiden: zwischen dem Kampf gegen Islamophobie und dem Kampf gegen Antisemitismus. Zwischen tugendhafter Zensur und freier Meinungsäußerung. Zwischen den Menschen in Gaza und dem Existenzrecht Israels. Zwischen der von der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) vorgegebenen Definition von Antisemitismus oder der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (an deren Ausarbeitung ich beteiligt war). Es ist, als ob wir alle kollektiv an eine ideologische Wand gedrückt werden und nun gezwungen sind, unsere Opfer zu priorisieren. Schlimmer noch: Im Wettbewerb der Opfer behauptet jedes Lager auf unerträgliche Weise, nur die eigenen Opfer zählten.

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