Favoriten der Woche:Beinahe ein Gesamtkunstwerk

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Bedingungsloser Kunstmensch: Kasper König. (Foto: Hans Panichen/VG Bild-Kunst, Bonn 2023/Museum Ludwig Köln)

Der Kurator Kasper König schenkt 50 Werke aus seiner munteren, klugen Privatsammlung dem Museum Ludwig in Köln. Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von Aurelie von Blazekovic, Till Briegleb, Max Fellmann und Helmut Mauró

Kunst: Die Schenkung Kasper Königs

Eine Brillo Box, die ihm Andy Warhol geschenkt hat, diente Kasper König jahrelang als Sockel für seinen Röhrenfernseher, dann verkaufte er sie, um eine Wohnung zu finanzieren. Isa Genzken widmete ihm und seiner Frau Edda Köchl-König zwei Gipsaufgüsse als Porträts ihrer Hirne. Und Richard Artschwager hinterließ ein paar Arbeiten in Königs New Yorker Wohnung, nachdem er dort drei Jahre hatte wohnen dürfen, Besitzverhältnisse eigentlich ungeklärt. Aus solchen Freundschaftsdiensten entstand die wilde Sammlung König, aus der dieses Kuratorenvorbild für Generationen jetzt 50 Werke verschenkt hat: an das Museum Ludwig in Köln, wo er zwölf Jahre Direktor war, und wo die Stücke nun bis Mitte März zu sehen sind.

Der bedingungslose Kunstmensch mit dem grunddemokratischen Herzen, der bei allen seinen Großunternehmungen von den "Skulptur Projekten" in Münster bis zur Manifesta in St. Petersburg streng darauf achtete, dass übertriebene Eitelkeit keine Chance hat, spiegelt die gesunde Behandlung der Kunstwelt auch in seinem Wohnzimmer. Königs Privatsammlung ist kein Ort für Statusprotz, sondern, wie er es ausdrückt, "irgendwie klug, substanziell, nicht angeberisch oder wichtigtuerisch". Eben ein Porträt seiner besten Charaktereigenschaften. Und als solches ist der Saal mit seiner Schenkung, der am Freitag in Köln eröffnet wurde, eine subjektive Biografie der internationalen Kunstentwicklung in persönlichen Ausschnitten.

Wobei der Ausstellungsmacher aus dem Schwarzbrotgürtel Westfalens, der seit rund 60 Jahren Kunst vorstellt, seine einnehmendste Eigenschaft noch verschwiegen hat. In dem Sammlungszimmer zeigt sich sein nimmermüder Humor. Ansichtskarten von On Kawara an König, auf denen er nur die Zeit seines Aufstehens notiert hat, hängen neben den "Blumensprengungen" von Annette Wehrmann oder einer Zeichnung von Bernhard Blume vom König Caspar als Strahlenmann. Wer dem Original im Leben bisher nicht begegnen konnte, lernt ihn hier und in dem begleitenden Katalog von seiner besten Seite kennen: witzig, unbestechlich, originell, offen und schlau. Till Briegleb

Klassik: Claudio Monteverdi, das Renaissancegenie

Mit der "Monteverdi Edition" lässt sich eine Schlüsselfigur der Musikgeschichte entdecken. (Foto: Brilliant Classics)

Eine umfassende Sammlung von Vokal- und Instrumentalwerken des Renaissancegenies Claudio Monteverdi auf 30 CDs. Monteverdi hat die Grenzen seiner Epoche durchbrochen und einen breiten Weg in den Barock frei gemacht. Während seine Kirchenmusik in meisterlicher Palestrina-Tradition steht, entwickelt er in den zahlreichen Madrigalen eine Schule der präzisen Sprachvertonung und einer schier einmaligen Ausdrucksvielfalt. Die gerade erst erfundene Oper erhielt daraus einen entscheidenden Schub. Anders als in den Pastoral-Idyllen und allegorischen Tableaus, die am Beginn der neuen Gattung stehen, konzipiert Monteverdi Szenen aus einer dramatischen Struktur heraus, gibt ihnen eine individuelle musikalische Sprache, entwickelt die Ebene der Sprachvertonung neu, schafft dadurch glaubwürdige Protagonisten und maximale theatralische Wirkung. Helmut Mauró

Pop: "Beatles"-Song "Now and Then" von Timmy Sean

Eigentlich nicht reproduzierbar: die "Beatles". (Foto: Paul Ellis/AFP)

"Now and Then", der Song, den Paul McCartney und Ringo Starr mit KI-Tricks aus einem alten Demotape von John Lennon gebastelt haben, klingt ja leider nicht so richtig nach Beatles - zu modern, zu sauber, zu sehr 1971 ff. Erschütternd real ist dafür "Now And Then (1964 Version)" gelungen, ein Streich des amerikanischen Musikers Timmy Sean, vor wenigen Tagen ins Netz gestellt. Für seine Interpretation hat er nicht Lennons Gesang verwendet, sondern die Melodie selbst gesungen und anschließend mit KI-Hilfe an Lennons Stimme angepasst. Die Begleitung dazu ist ein Ton-für-Ton-Pastiche der "A Hard Day's Night"-Zeit. Und das alles klingt nun so immens viel echter und beatliger und in-einer-alten-Truhe-entdecktiger als das Lied der realen Rest-Beatles, dass einem schier der Kopf platzen möchte. Un-glaub-lich. Max Fellmann

Talkformat: "Der letzte Drink"

Anna Dushime möchte mit Roberto Blanco übers Schwarzsein sprechen, er möchte das nicht, das Gespräch klappt dann trotzdem. (Foto: rbb/Johanna Wittig)

Der inzwischen 86-jährige Schlagersänger Roberto Blanco wurde zuletzt in Interviews nicht nur zu den Themen Frohsinn, Tanz und Lebenslust befragt, sondern auch zu Rassismus. Auch in der vielversprechenden ersten Sendung von "Der letzte Drink", einem neuen Talkformat des RBB für die ARD-Mediathek, spielt das Thema eine Rolle. Anna Dushime führt die Gespräche in schummriger Baratmosphäre. Und weil die Konstellation zwischen ihr und Blanco hier so ist, wie es sie im deutschen Fernsehen so gut wie niemals gab, sprechen Interviewerin und Interviewter auch übers Schwarzsein. Wobei Blanco darüber gar nicht reden möchte. Der Graben zwischen ihm, 1937 in Tunis geboren, und ihr, 1988 in Kigali, könnte kaum größer sein. Das Gespräch klappt trotzdem, weil Dushime mit ihrer Haltung durchdringt, gegen die Entrüstung Blancos, trotzdem bleibt sie zugewandt. Das muss man erst mal schaffen. Aurelie von Blazekovic

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