Kulturpolitik:Preußen unerwünscht

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Kein Preußen-Fan: Claudia Roth findet, der Name "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" schließe einen großen Teil des Landes aus. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Kulturstaatsministerin Roth will den Namen der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" ändern - weil er das Land nicht repräsentiere.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) setzt sich dafür ein, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) umzubenennen, unter deren Dach zahlreiche Museen und Kultureinrichtungen in Deutschland gebündelt sind. "Was haben Andy Warhol und Joseph Beuys mit Preußen zu tun?", sagte Roth dem Spiegel.

Der aktuelle Name bringe nicht "die Weltläufigkeit der Kulturgüter zum Ausdruck", sagte Roth. "Neben der umfassenden Strukturreform, die den einzelnen Institutionen jetzt mehr Autonomie und Handlungsfähigkeit verschafft, brauchen wir in einem zweiten Schritt auch einen attraktiven, zukunftsgewandten Namen." Noch gibt es aber keinen Vorschlag für eine neue Bezeichnung. Der Name der SPK stört Roth zudem, weil er einen großen Teil Deutschlands ausschließe. "Preußen ist ein wichtiges, aber nicht unser einziges Erbe, diese einseitige Priorisierung ist falsch, Deutschland ist viel mehr."

Auch der Präsident der SPK, Hermann Parzinger, fände einen anderen Namen besser. "Wenn ich SPK sage, muss ich fast immer erklären, welche Institution ich vertrete", sagt er. Es sei nicht einfach, einen neuen Namen zu finden, gute Vorschläge nehme er gern entgegen. "Das Ziel der Reform muss sein, dass wir unser riesiges Potenzial besser nutzen."

Zuletzt nannte Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt das Bismarck-Zimmer um

Preußen war nach Meinung vieler der Grund, warum Deutschland in den Abgrund von zwei Weltkriegen geraten war. Militarismus, Staatsvergottung, Gehorsamsfixierung und Intoleranz: Nach dieser Lesart hatte das protestantische Preußen auch dem neu gegründeten Deutschen Reich seit 1871 seinen Stempel aufgedrückt und die liberalere, katholisch geprägte Kultur Süddeutschlands und Österreichs beiseitegeschoben. Doch es gibt auch gegenteilige Positionen: Preußen gilt, vor allem im 19. Jahrhundert, als Inbegriff von effektiver Verwaltung und unbestechlicher Beamtenschaft, Bildungsfreundlichkeit und Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten wie den Juden.

Kritik an den Umbenennungsplänen übte dagegen der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse: Dies sei ein "Versuch, sich von geschichtlichen Lasten zu befreien", ein "neuer deutscher Sonderweg". Thierse wirft den Grünen vor, dass sie "mit moralischem Furor Geschichtsreinigung betreiben" würden. Weil die Grünen, derzeit mehr als zu Zeiten der ersten rot-grünen Regierung, schmerzliche Kompromisse machen müssten, die im Widerspruch zu ihren Utopien stehen, "benötigen sie wohl umso heftiger Ersatzhandlungen", sagte Thierse.

Im November hatte sich Roth dafür ausgesprochen, ein Spruchband mit einer umstrittenen, vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. aus zwei Bibelversen zusammengesetzten Inschrift am Berliner Humboldt-Forum zeitweise mit einer Lichtinstallation zu überstrahlen. Roths Parteikollegin Annalena Baerbock ließ unterdessen in dem von ihr geführten Außenministerium das Bismarck-Zimmer im Auswärtigen Amt in Berlin umbenennen. Der Raum erhält den Namen "Saal der Deutschen Einheit". Auch das Porträt des einstigen Reichskanzlers wurde abgehängt.

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