In der EU ist diese Entwicklung am deutlichsten in Polen und Ungarn zu beobachten - in beiden Ländern hatten nationalpopulistische Regierungen bereits genügend Zeit, die einstmals freiheitliche Rechtsordnung ihrer Länder nachhaltig zu schwächen. Und genau diese zwei Nationen sind zu Beginn dieses Berlinale-Wettbewerbs nun mit Beiträgen vertreten, die man als künstlerischen Einspruch gegen die Regierungen von Viktor Orbán in Budapest und Jarosław Kaczyńskis PiS in Warschau verstehen kann.
Die Budapesterin Ildikó Enyedi erzählt in ihrem Film "On Body and Soul" eine unwirklich erscheinende Liebesgeschichte, die sie ausgerechnet in einem Schlachthof ansiedelt, während Polens Altmeisterin Agnieszka Holland ("House of Cards", "Hitlerjunge Salomon") in dem märchenhaften Krimi "Pokot" deutlich Stellung gegen das Jagen von Wildtieren bezieht. Holland versteht das hobbymäßige Abschlachten von Tieren in ihrem Film als Metapher für die neuen Zustände in Polen, in denen die Schwachen und Unterprivilegierten keine Stimme mehr haben. "Niemand ist schwächer als die Tiere", sagte sie in Berlin.
Enyedi stellt in ihrem Film die Frage, ob nicht der Menschen die eigentliche Bestie auf diesem Planeten ist. Eine Bestie, die Schweine industriell am Fließband abschlachtet, nicht mehr bindungsfähig ist, und die sich von den Tieren Empathie oder sogar die Liebe abschauen könnte. In den Filmen der beiden osteuropäischen Regisseurinnen wird ein im Vergleich zum Menschen idealisiertes Bild vom Tier gezeichnet.
Nicht nur Zufall
In erster Linie ist die Analogie Zufall, denn die Regisseurinnen konnten ja nicht wissen, dass ihre Filme unter mehr als tausend Einreichungen im Wettbewerb dieser Berlinale landen würden. Doch in einem weiteren Sinne beruhen die Ähnlichkeiten bei Enyedi und Holland wohl auf kongruenten Erfahrungen in ihren Ländern. "Frauen und Tiere, das sind die ersten, die in einer Diktatur leiden", sagt Olga Tokarczuk, die Bestseller-Autorin der Buchvorlage von "Pokot". In Polen etwa, wo sich die hohe Politik schon immer gern zur Jagd traf, seien unlängst die saisonalen Beschränkungen für die Jagd aufgehoben worden.
Wie ist es, wenn der Populismus unbeschränkt um sich greift? Aus Ungarn und Polen kommen hierzu nun überraschend ähnliche Metaphern. Man darf gespannt sein, was den Amerikanern und vielleicht auch bald Deutschen und Franzosen an Bildern dazu einfallen wird.