Europas größter Holzbau:Gold für München

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In München wird im Olympiapark der angeblich "größte Holzbau Europas" eröffnet: Er ersetzt die bisherigen Sportstätten der Technischen Universität. (Foto: Aldo Amoretti)

Besser, schöner, holziger: Der Neubau des TUM Campus für Sportstudierende im Olympiapark ist gelungen. Dass er außerdem auch aus Holz ist, ist fein. Ja, doch.

Von Gerhard Matzig

Das alte olympische Motto (citius, altius, fortius) wurde geändert. Es heißt jetzt: "schneller, höher, stärker - gemeinsam". Über diesen gut gemeinten Sinn-Widerspruch, der die politisch korrekte Devise vom alleinseligmachenden Dabeisein ("ist alles") modernisiert, ließe sich lange diskutieren. Aber es reicht die Vorstellung, wie lustig es ist, wenn alle gemeinsam schneller sind. Dann ist in Wahrheit niemand mehr schneller. Sondern alle sind nur noch schnell. Beziehungsweise gemeinsam langsam. Außerdem müssten nach Wettbewerben, die - radikal zu Ende gedacht - nicht mehr kompetitiver Natur wären, immer alle aufs Treppchen. Die Siegerehrung müsste aus Platzgründen auf dem Parkplatz der nächstgelegenen Ikea-Filiale stattfinden. Aber okay, schön, dass sich das IOC so zeitgemäß gibt.

Überhaupt kommt man bei der Betrachtung des so titanischen wie eleganten, sagenhafte 19 Meter stützenfrei auskragenden Vordaches, das den Neubau des TUM Campus im Olympiapark München auf superlativistische Weise prägt, auf die Idee, das olympische Motto nochmal zu ändern. In Richtung Architektur, der das Wettbewerbliche ja keineswegs fremd ist. Es heißt ab jetzt bitte: besser, schöner - und vor allem holziger.

Der Neubau soll am Montag in München eröffnet werden. Er dient Tausenden von Studentinnen und Studenten der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der Technischen Universität. Aber die Räumlichkeiten, die in einem zweigeschossigen Holzbau-Kubus von 180 Metern Länge und 150 Metern Breite Platz für ein Sportangebot von A wie Aerobic bis Y wie Yoga bieten, steht auch den Studierenden und Mitarbeitern aller Münchner Hochschulen offen: München ist mit etwa 15 000 Aktiven die größte Hochschulsport-Gemeinde Deutschlands.

Söder kann nicht jeden Baum umarmen

Das macht sich bemerkbar: 14 zum Teil speziell angepasste Sporthallen sind hier unter einem gewaltigen, sich dennoch stimmig in die sanft modulierte Topographie des Olympiaparks fügenden Dach versammelt. Dazu kommen zwölf Hörsäle, 15 Diagnostikräume, fünf Werkstätten, 300 Büros, Cafeteria, Bibliothek ... kein Wunder, dass der Bau, entworfen vom Bregenzer Architekturbüro Dietrich / Untertrifaller (mit Balliana Schubert Landschaftsarchitekten aus Zürich) selbstbewusst als "größter Holzbau Europas" firmiert.

Wobei man von Much Untertrifaller, der durch den noch nicht mal endgültig ausgebauten Komplex in München führt, wissen will, ob das denn wirklich stimmt. Ist es denn der größte Holzbau Europas - oder ist man nur gemeinsam mit anderen größten Holzbauten Europas der größte Holzbau Europas? Der Architekt gibt eine kluge Antwort: Bis zum Beweis des Gegenteils sei das so. Man gehe davon aus. Gut möglich. Als Bewohner eines Hauses, das gemeinsam mit anderen schmalsten freistehenden Einfamilienhäusern Deutschlands das schmalste freistehende Einfamilienhaus Deutschlands ist, gibt man sich zufrieden.

Das Superlativhafte des zeitgenössischen Holzbaus ist bisweilen nervensägenhaft. Es vergeht kaum eine Woche, wo nicht irgendwo auf dem Terrain der Holzarchitektur ein jeweils neuer Rekord vermeldet wird. Schneller, höher, stärker - das gilt ja auch am Bau. Bekannt werden also im Wochentakt: höchstes Holzhaus zum Wohnen, voluminösestes Holz-Bürohaus, weitest gespannte Holzhalle, holzigstes Holz. So in etwa. Dabei gönnt man der aus ökologischen Gründen und vom Klimawandel angefeuerten Holzbranche nun wirklich alle Siege.

Dennoch ist diese Industrie eine Industrie, und wenn das Produkt noch so försterromantisch vermarktet wird. Nicht jeder Baum wird, nachdem er von Markus Söder umarmt wurde, in Vollmondnächten so zart aus dem Wald entfernt, dass die Klimabilanz liebevoll aufseufzt. Klar: Holz ist ein uralter, grandios vielseitiger und gesunder Baustoff, der klimaneutral verwendet werden kann - wenn er klimaneutral verwendet wird. Derzeit werden oft ganze russische (!) Wälder auf klimafeindliche Weise niedergestreckt, um das Holz dann klimafeindlich in alle Welt zu verschicken. Holz ist ein fantastisches Baumaterial, aber auch damit lässt sich manchmal mehr Öko-Distinktion erzielen als die Welt retten.

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Hier entsteht gute Nachbarschaft

Dietrich Untertrifaller Architekten sind nicht gemeint, sie genießen einen ausgezeichneten Ruf. Aber nicht nur als Holz-Experten, klar, aus Bregenz stammend, sondern vor allem als Entwerfer von Raumklugheit und Formschönheit. Ihr Bau ist einerseits ein plakativer Holzbau. Andererseits: Die Hybriddecken wurden in Holz-Beton-Verbundbauweise gefertigt, die Erschließungsachse, aussteifende Treppenkerne, Hörsaal, Kletterhalle sowie das Untergeschoss: alles Stahlbeton.

Vor allem aber ist es den Architekten und Landschaftsarchitekten außen gelungen, ein enormes Raumprogramm verträglich in ein Parkensemble von Rang einzubetten. Fast wie eine weitere Intarsie. Klug ist es auch, die zeichenhaft organische Olympia-Architektur nicht durch eigene Organik zu karikieren. Die orthogonale, selbstbewusste, aber zugleich angemessen zurückhaltend auftretende Campus-Architektur passt gut zum Ganzen. Der Bau, klar strukturiert, ist eigenständig und dient doch dem Umfeld. Es entsteht eine gute Nachbarschaft. Die heikle Aufgabe, in einem derart aufgeladenen Denkmal-Kontext wie dem des Münchner Olympiaparks zu bauen: bravourös gemeistert.

Innen wurde eine großzügig dimensionierte und freundliche, angenehm helle Landschaft aus Übungs- und Lernorten geschaffen, organisiert in Hallen- und Institutscluster, die von der zentralen Erschließungsebene einsehbar sind. Diese "Rue interieure" zieht sich wie ein Rückgrat von Ost nach West durch den Komplex, sorgt für Transparenz und verbindet die Bereiche Sport, Lehre und Forschung. So entstehen Aufenthaltsqualität, Raumdifferenzierung und Orientierung in Einem. Der Bau ist großartig - und übrigens sogar teilweise aus Holz. Gold für München.

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