Studiengang Umwelttechnik:Tüfteln für den Klimaschutz

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Wie kann man Plastik-Abfälle besser wiederverwerten? Ein aktuelles Thema, das Umwelttechnik-Studierende beschäftigt. (Foto: Jose Luis Carrascosa/Imago/Westend 61)

Absolventen von Umwelttechnik-Studiengängen sind gefragte Experten, zum Beispiel zum Thema Abwasser oder Energie. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten, sich zu spezialisieren.

Von Benjamin Haerdle

Wasser ist kostbar, in einigen Gegenden der Welt knapp und damit in Zeiten des Klimawandels eine zunehmend wertvolle Ressource. "Der Umgang mit Abwasser und damit die Frage, wie sich Mikroschadstoffe, kleinste Plastikteilchen und Mikroorganismen aus dem Abwasser entfernen lassen, wird deshalb immer wichtiger", sagt Susanne Lackner, die an der TU Darmstadt im Fachgebiet Abwasserwirtschaft forscht und lehrt. "Die deutlich verbesserte Analytik für Mikroschadstoffe wie Arzneimittelrückstände, Industriechemikalien oder Pflanzenschutzmittel in geklärtem Abwasser zeigt auf, dass wir hier immer noch bessere technische Lösungen benötigen." Das macht das Thema Abwasser zu einem typischen Aufgabengebiet für Studierende, die an der hessischen Hochschule in den Umweltingenieurwissenschaften ausgebildet werden.

Abwasser ist nur ein Beispiel, das veranschaulicht, wie wichtig das Thema Umwelttechnik heutzutage geworden ist - vor dem Hintergrund der Erderwärmung, der Umweltverschmutzung oder immer knapper werdender Ressourcen. Um neue Lösungen zu bekommen, bieten Deutschlands Hochschulen viele unterschiedliche Studienrichtungen in der Umwelttechnik an. An der TU Darmstadt verbindet das Bachelorstudium zum Beispiel Fragen des technischen Umweltschutzes mit der Umweltplanung. Abwasser ist dabei nur einer von mehreren Schwerpunkten. Das Studium vermittelt auch Wissen zur Entsorgung von Abfall oder zur Sanierung von Altlasten. "Dieser Studiengang ist besonders, weil er interdisziplinär angelegt ist und naturwissenschaftliche Grundlagen mit jenen der Ingenieurwissenschaften verknüpft", sagt Hochschulprofessorin Lackner. Um diese Offenheit bei Studierenden zu fördern, machen sie im ersten Semester sowohl im Bachelor als auch im Master ein interdisziplinäres Planungsprojekt. Diese Projekte reichen von der Planung neuer Siedlungen bis hin zu Konzepten zur Anwendung mikrobieller Brennstoffzellen in der Abwassertechnik. Letztere können lebende Mikroorganismen unmittelbar zur Energiegewinnung nutzen.

Ein Programm fokussiert auf den Energieverbrauch von Gebäuden

Um Energie dreht sich alles im Bachelor-Studiengang Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK). "Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz: Von der Bereitstellung von Energie über deren Verteilung, etwa in Form von Fernwärme, bis hin zur Nutzung in Wohn- und Industriegebäuden, also etwa in Heiz- und Lüftungsanlagen", sagt Studiendekan Ingo Kraft. In der Umwelttechnik spielt vor allem Verfahrenstechnik eine Rolle, eine Wissenschaft, bei der es darum geht, Stoffe mittels chemischer, physikalischer oder biologischer Verfahren zu verändern. Zudem befassen sich die Teilnehmer damit, wie sich Stoffe in die Umwelt zurückführen oder Emissionen minimieren lassen.

In den ersten drei Semestern werden die Studierenden gemeinsam unterrichtet, in den folgenden Semestern müssen sie sich zwischen Energie- und Gebäudetechnik sowie Umwelttechnik entscheiden. Im sechsten Semester steht die Bachelorarbeit an. "Manche Studierende analysieren dann in Produktionsstätten den Energieverbrauch einzelner Abteilungen und zeigen auf, wie das Unternehmen diesen senken oder Abwärme nutzen kann. Andere beschäftigen sich mit der Sanierung von energietechnischen Anlagen", nennt Hochschulprofessor Kraft typische praxisnahe Themen der Abschlussarbeit. Beim gleichnamigen Master, den man an der HTWK Leipzig anschließend belegen kann, steht neben einer stärkeren wissenschaftlichen Ausrichtung die Projekt- und Teamarbeit im Vordergrund. "Die Studierenden lernen systemübergreifende Aufgabenstellungen der Energie- und Umwelttechnik, also zum Beispiel die Planung oder Optimierung von Teilen eines Kraftwerks oder einer Wohnsiedlung, technisch, wirtschaftlich und ökologisch zu bearbeiten", sagt Kraft.

Die Hochschulen arbeiten häufig eng mit Unternehmen der Region zusammen

Die Hochschule Nordhausen vermittelt im Bachelor Umwelt- und Recyclingtechnik dagegen Wissen an der Schnittstelle zwischen Verfahrenstechnik, Maschinenbau und Naturwissenschaften. "Unsere Studierenden beschäftigen sich disziplinübergreifend mit dem Umweltschutz und der Gewinnung von Sekundärrohstoffen", sagt Uta Breuer, Professorin für Biologische und Chemische Verfahrenstechnik. Was passiert mit Klärschlamm in den Kläranlagen? Wie können Folien und Lebensmittelrückstände im Gelben Sack besser getrennt werden? Mit welchen technischen Verfahren lassen sich biologische sowie stick- und kohlenstoffreiche Abfälle, die auf Abfallanlagen anfallen und nicht so leicht kompostiert werden können, besser nutzen? Das sind typische Fragen, auf die Studierende Antworten finden sollen. Rund die Hälfte der Absolventen, sagt die Studiendekanin, wechsle nach diesem Erststudium in den Beruf, oft innerhalb der Region in Ingenieurbüros, Sanierungsfirmen oder verfahrenstechnische Betriebe. "Die Hochschule ist in der Region sehr gut vernetzt. Deshalb wissen wir, welche Kompetenzen die Unternehmen hier im Umfeld brauchen", sagt Breuer.

Wer nach dem Bachelor einen Master draufsatteln möchte, kann dies zum Beispiel in Jena machen. Die Universität Jena und die Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena bieten seit dem Wintersemester 2019 gemeinsam den Master-Studiengang Umwelt- und Georessourcenmanagement an. "Wir wollen beides vermitteln: Einen technischen und praktischen Anteil in den Ingenieurwissenschaften sowie eine fundierte Grundlagenausbildung auf dem Gebiet der Geowissenschaften", sagt Thorsten Schäfer, der an der Universität Jena als Hochschulprofessor Angewandte Geologie lehrt. So liefert die Uni etwa das Wissen zur Rohstoffgeologie, zur Lagerstättenkunde oder zum Einsatz von Ersatzrohstoffen, die den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids deutlich reduzieren können. Hinzu kommen rechtliche Fragestellungen und numerische Methoden, die im Berufsalltag in Ingenieurbüros und Behörden stark gefragt sind. Die Ernst-Abbe-Hochschule wiederum bringt ihre ingenieurwissenschaftliche Expertise ein. Arbeitsgebiete sind energie- und verfahrenstechnische Zusammenhänge wie zum Beispiel die Energiespeicherung und die Simulation von Energiesystemen. "Wir vermitteln den Studierenden auch, wie man Projekte organisiert oder Budgetplanungen macht", sagt Professor Matthias Schirmer. Nur eine gute natur- und ingenieurwissenschaftliche Ausbildung reiche im Beruf oft nicht aus. "Man muss auch ein guter Projektmanager sein", sagt er.

Die Absolventen finden in ganz unterschiedlichen Branchen einen Job

Sehr vielfältig sind die beruflichen Einsatzmöglichkeiten für diejenigen, die sich für den Studiengang Umwelt- und Verfahrenstechnik entscheiden. "Ob chemische Industrie, Luft- und Abwasserreinhaltung, Lebensmittel- und Pharmaindustrie oder Maschinenbaufirmen, für unsere Absolventen sehe ich überall gute Chancen, einen Job zu finden", sagt Marcus Reppich, der an der Hochschule Augsburg den Bachelorstudiengang Umwelt- und Verfahrenstechnik leitet. "Unser Anspruch in der Verfahrenstechnik ist, die Umwandlung von Rohstoffen in Produkte so energieeffizient wie möglich zu gestalten, um negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima minimal zu halten", sagt er. Rohstoffverknappung und die Reduzierung des Energieverbrauchs seien Themen, die junge Leute heutzutage beschäftigen. Das erkennt der Studiengangleiter auch an den Zielen, die seine Studierenden formulieren: "Viele von ihnen studieren das Fach, weil sie etwas Gutes für den Umwelt- und Klimaschutz machen wollen", sagt er. Ein Wunsch, den zahlreiche Frauen hegen. Der Frauenanteil liegt in diesem Studiengang zwischen 30 und 50 Prozent - und damit deutlich höher als im Studiengang Maschinenbau der Hochschule Augsburg. Dort sind nur zehn Prozent der Studierenden weiblich.

Einen ganze Reihe deutscher Universitäten und Hochschulen bieten Umwelttechnik-Studiengänge an. Eine Auswahl: Zwei verschiedene Programme "Umwelt- und Verfahrenstechnik" hat die Hochschule Augsburg entwickelt: Bachelor (sieben Semester) und Master (drei Semester). Letzterer ist auch dual studierbar. Den Fernstudiengang "Wirtschaftsingenieurwesen Erneuerbare Energien" bietet die AKAD University an: Bachelor, Regelstudienzeit 42 Monate, verschiedene Zeitmodelle möglich. Für "Umwelt- und Recyclingtechnik" kann man sich an der Hochschule Nordhausen einschreiben: Bachelor, sieben Semester. Zwei Varianten des Programms "Umweltingenieurwissenschaften" gibt es an der TU Darmstadt : Bachelor (sechs Semester) oder Master (vier Semester), www.tu-darmstadt.de. Eine weitere Option: "Umwelt- und Gefahrstoffanalytik" an der Hochschule Hamm-Lippstadt , Master (drei Semester). Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) hat "Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik" im Angebot: Bachelor (sechs Semester), Master (vier Semester). Eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker kann parallel zum Bachelor-Studium absolviert werden.

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