Weitere Leserbriefe:Stigma und Gegenwehr

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Roger Waters beim Konzert in der Münchner Olympiahalle. In München löste der Künstler eine Antisemitismus-Debatte aus. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Zwei Verteidigungsreden: Für Jugendliche aus bestimmten Münchner Vierteln und für einen umstrittenen Künstler und dessen Israel-Kritik.

Israel-Kritik aus Israel

"Ganz große Bühne" vom 17.Juni, "Zur Hölle" vom 27.Mai sowie "Ja, Musik gibt es auch" und "Wie Roger Waters sich als neue Sophie Scholl inszeniert" vom 23.Mai:

Es ist schon erschreckend, wie hierzulande von Medien und Politik gegen den Musiker Roger Waters gehetzt wird. Allerdings konnte diese Stimmungsmache gegen den "Antisemiten" nicht verhindern, dass etwa 15000 Zuschauer am 21. Mai die Olympiahalle zu seinem Konzert füllten. Insofern war die Kampagne zumindest nicht sonderlich erfolgreich. Bedauerlicherweise setzte die SZ in gleich vier Artikeln nach dem Konzert die Kampagne gegen den Künstler fort, der "Israel als gescheitertes Experiment", als einen "Apartheidstaat" bezeichnet habe und "ein glühender Unterstützer der Israel-Boykott-Bewegung BDS" sei, die der Bundestag 2019 schließlich "als antisemitisch eingestuft" habe.

Unerwähnt bleibt dabei, dass sich seinerzeit 240 renommierte jüdische und israelische Wissenschaftler, von denen sich viele in den Bereichen Antisemitismusforschung, jüdische Geschichte und Geschichte des Holocaust hervorgetan haben, klar gegen diese Bundestagsresolution und den damit einhergehenden, "alarmierenden Trend" ausgesprochen haben, "Unterstützer palästinensischer Menschenrechte als antisemitisch abzustempeln". Roger Waters' Kennzeichnung Israels als "tyrannisches rassistisches Regime" ist mitnichten eine "extreme Dämonisierung des Staates der einstigen jüdischen Geflüchteten", sondern entspricht den Befunden der israelischen Menschenrechtsorganisationen B'Tselem und Yesh Din, die 2021 nachgewiesen haben, dass Israel ein Apartheidstaat ist, was dann von Human Rights Watch und Amnesty International in umfangreichen Studien bestätigt wurde. Insofern ist jeder Boykott Israels gerechtfertigt.

Diese ganze verfahrene und überaus gefährliche Situation in Palästina könnte sehr schnell zu einem friedlichen Ende kommen, wenn Israel die völkerrechtswidrige Besatzung und die damit einhergehende Besiedelung der palästinensischen Gebiete sowie seine Apartheidpolitik beenden würde ( wie seinerzeit Südafrika, das ja deswegen auch nicht untergegangen ist), damit die Menschen "zwischen dem Fluss und dem Meer" endlich alle die gleichen Rechte genießen können.

Jürgen Jung, Pfaffenhofen

Unterstützen, nicht stigmatisieren

"Brennpunkte der Jugendgewalt", 7. Juli:

Es ist notwendig und richtig, gegen Jugendgewalt vorzugehen. Aber die Aktion mit einer reißerischen Überschrift "Brennpunkte der Jugendgewalt" in der Presse anzukündigen, stigmatisiert alle Jugendlichen der beiden genannten Stadtteile, Neuperlach und Riem, und stigmatisiert darüber hinaus auch die beiden Stadtteile als Ganzes. Dies führt zu einer Entwicklung in den benannten Stadtteilen, wie sie Frankreich gegenwärtig in den Banlieues erlebt. Es führt dazu, dass Jugendliche bei Bewerbungen mit Angabe der Postleitzahl ihres Wohnortes schwerer Jobs bekommen und mit der Zeit ins gesellschaftliche Abseits geraten. Damit ist eine direkte Einbahnstraße in Richtung krimineller Entwicklung programmiert.

Was dagegen dringend notwendig wäre, ist eine bessere Versorgung der Jugendlichen im öffentlichen Raum: Neben Jugendzentren müsste es mehr aufsuchende Jugendarbeit in den Stadtteilen geben, wie Streetwork, auch Jugendbeamte der Polizei, die negative Entwicklungen bei den Jugendlichen rechtzeitig erkennen und beeinflussen können.

Aysun Kutlug, Christl Willmitzer und Andreas Zsiros, München

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