Bayerns Genderverbot:Viel Spaltung - wenig Harmonie

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"Schüler*innen": In Bayern wird diese Schreibweise an Schulen, Hochschulen und in Behörden nun verboten. (Foto: Gregor Bauernfeind/dpa)

Am Verbot des Genderns in bayerischen Unis, Schulen und Behörden scheiden sich die Sprachbegeisterten.

"Die Folgen von Söders Genderverbot", "Krieg der Sternchen" sowie Kommentare "Söders Genderverbot: Pro und Contra" vom 21. März:

Das moderne Verbots-Bayern

Wie armselig im Geiste! Nichts kapiert, worum es grundsätzlich geht. Welch ein erbärmliches Zeugnis der fehlenden Souveränität und der Inkompetenz, dass man(n) sich scheinbar nicht mehr anders zu helfen weiß (vor welcher existenziellen Bedrohung eigentlich?) als durch ein Verbot! An welche Staaten erinnert das - Rettung der Jugend durch Verbote? Raumfahrtfantasien und Verbot des Gendersternchens - sieht so das moderne Bayern aus?

Jutta Behnke, München

Hochgejazztes Stressthema

Hat nicht unser Ministerpräsident, hat nicht die CSU ohne Unterlass die Grünen gebrandmarkt und ins Lächerliche gezogen als Verbotspartei, deren größte Freude es ist, anderen vorzuschreiben, was richtig und was falsch ist? Jetzt aber hat die CSU entdeckt, wo ein Verbot richtig, ja unumgänglich ist. Und das ist nicht etwa: Hassrede. Oder das Nutzen von Gesetzeslücken, um sich an Staatsgeld zu bereichern. Oder Aufrufe zur Gewalt gegen politische Gegner - manche Verbote ergäben ja vielleicht Sinn. Nein: Die Staatsregierung verbietet das Gendern.

Wie gut hätte es ihr zu Gesicht gestanden, wenn sie zu dem hochgejazzten Stressthema Gendern auf die sonst immer gern herangezogene Liberalitas Bavarica (gern auch: Bavariae) verwiesen hätte: Gendere wer will, wer nicht will, lasse es bleiben. Stattdessen übernimmt sie das Thema von der AfD und deren Gesinnungsgenossen, befeuert die Aufregung dazu, gibt den Rechten damit recht und schenkt ihr einen völlig entbehrlichen Triumph.

Wann merkt die CSU, dass die Übernahme populistischer Phrasen deren Erfinder stärkt, nicht aber die Nachschwätzer? Mich betrübt es sehr, diesem Theater der CSU und der Freien Wähler beiwohnen zu müssen.

Ingrid Knab, München

Kinderinnen und Kinder

Ich hoffe, dass es Herrn Söder gelingt, diese Schreib- und Sprachverhunzung abzuschaffen. Gewisse Kreise bezeichnen die Mehrzahl als männlich, um ihren Unsinn zu begründen. Wer bei Nennung der Mehrzahl nur an Männer denkt, ist schlichtweg dumm, die Mehrzahl war und ist geschlechtsneutral, sie ist eine Mengenbezeichnung, bei der jeder weiß, dass es Frauen und Männer gibt. Nicht einmal das Gendern wird von den Befürwortern konsequent angewendet, so wird die Mehrzahl "Kinder" nicht gegendert, obwohl der Geschlechtsunterschied schon ab Geburt besteht - warum dann nicht auch Kinder und Kinderinnen?

Wenn schon bei Bezeichnungen auch weibliche Formen mit genannt werden sollen, dann doch als Beispiel "Autofahrerinnen und Autofahrer". Das verlängert Texte, aber das ist noch zu ertragen. Wie Artikel sowie Präpositionen bei Formen mit *, Unterstrich, Doppelpunkt et cetera mit gegendert gehören (oder reicht da nur die weibliche Form?), haben die Genderer m/w/d selbst noch nicht gelöst. Deshalb: Sein lassen, und nicht noch ausbauen.

Ernst Hirschmugl, München

Heulen zwecklos

Heut hab ich mich amüsiert - über Sebastian Becks wehleidige Aussage zu gendergerechten Formulierungen, "mit denen etwa das Stadtportal im grün-rot regierten München seine Leser überzieht". Er könne sich dagegen nicht zur Wehr setzen, oh weh, Herr Beck, wie schlimm!

Seit immer werde ich von Sparkassen, Krankenkassen und anderen Institutionen mit "Kontoinhaber", "Versicherter" et cetera angesprochen. Und, heule ich? Nein! Aber ich wünsche mir durchaus eine Sprache, in der ich nicht nur gönnerhaft "mitgemeint" bin, sondern eine, die im Schriftbild ausdrückt, dass alle gemeint sind.

Ellen Klandt, Bonn

Schluss mit dem Unsinn

Meiner Meinung nach entspringt das Gendern einem unreifen Verständnis von angeblicher Gleichberechtigung in der Sprache und ist ein allenfalls bemüht regulierter pubertärer Neusprech, dem mit der Entscheidung der Koalition von CSU und Freien Wählern unter der Führung Söders (nicht eine Entscheidung Söders, wie Sie es darstellen) wenigstens in der bayrischen Bürokratie Einhalt geboten wird.

Ich nenne nur ein kurz gesuchtes einfaches und lächerliches Beispiel aus einer Empfehlung zum Gendern: Dort wird das Wort jeder als nicht gendergerecht dargestellt, und es wird empfohlen: "Die einfachste Methode ist das Ersetzen durch ein neutrales Wort wie ,alle'. Eine andere Möglichkeit ist, wie bei der Paarform, beide Varianten zu verwenden. Zum Beispiel bei: Wir heißen jede und jeden herzlich willkommen."

Tatsächlich produziert man damit eine Ausgrenzung von explizit nicht Angesprochenen wie zum Beispiel bei jede und jeden, wo im Unterschied zu "jeder ist willkommen" plötzlich nur die willkommen sind, die sich mit jede und jeden assoziieren können, also meiner Meinung nach kein Diverser.

Einfach nur gut, dass man wenigstens in der bayrischen Bürokratie diesen Unsinn beendet.

Franz Weinzierl, München

Söder lenkt von Problemen ab

Unsere bayerische Staatsregierung hat ein großes Problem ausgemacht an den Schulen und Universitäten in Bayern. Und mit heroischer Tatkraft hat sie dieses nun behoben: das Gendersternchen.

Wir kämpfen an den Schulen in Bayern wirklich mit massiven Schwierigkeiten: Lernrückstände nach der Pandemie; Unsicherheiten, Sorgen und Ängste wegen der weltweiten Krisen; massiver Anstieg von psychischen Problemen bei den Kindern und Jugendlichen; bei weitem nicht ausreichende Therapieangebote dafür; Armut in vielen Familien, mit allen damit verbundenen Auswirkungen; Rechtsruck und antidemokratische Umtriebe; eklatanter Lehrkräftemangel. Um nur einige Punkte zu nennen. Was dagegen nie ein Problem war, ist ein Sternchen, das manche Personen in Nomen eingefügt haben oder nicht. Die bayerische Staatsregierung soll sich bitte um die wirklich großen Probleme in unserem Bildungssektor kümmern, auch wenn das teuer und aufwendig sein mag. Was die Problemlösung durch das Verbot des Genderns angeht, attestiere ich der Staatsregierung: Thema verfehlt - setzen, sechs!

Margot Blankenhagen, Röhrmoos

Texte werden wieder lesbar

Zwar vorerst nur in Bayern, wird die eigentlich schöne deutsche Sprache wiederhergestellt und dem ausufernden Gender-Kauderwelsch erstmals Einhalt geboten. Der Erlass aus München dürfte dem gesprochenen Wort guttun, Stolpersteine werden verschwinden und Texte wieder lesbar.

Dr. Hans Christian Hummel, Hannover

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