Bürokratie in Praxen:Kinderärzte fordern Abschaffung der Krankschreibung in leichten Fällen

Lesezeit: 2 min

"Eltern können harmlose Erkrankungen selbst managen", sagt der Präsident des Kinderärzteverbands. (Foto: Patrick Pleul/picture alliance / dpa)

Wenn das Kind krank ist, kann ein Elternteil nicht arbeiten. Voraussetzung für die Freistellung ist eine Krankschreibung vom Kinderarzt. Diese fühlen sich als "Verfolgungsbehörde der Arbeitgeberverbände".

Von Nadja Lissok

Es ist dieser Anruf aus der Kita, vor dem es berufstätigen Eltern regelmäßig graut: Das Kind hat Fieber und muss abgeholt werden. Heißt für Vater oder Mutter: Sie müssen bei der Arbeit alles stehen und liegen lassen. Das dürfen sie auch, der Gesetzgeber erlaubt im Jahr 2024 bis zu 15 Kinderkrankentage pro Elternteil, in denen entweder der Arbeitgeber oder die gesetzliche Krankenkasse die Lohnfortzahlung übernehmen muss.

Voraussetzung ist allerdings, dass ein Arzt das Kind krankgeschrieben hat. Die Eltern sind also gezwungen, mit dem Kind in die Arztpraxis zu gehen oder sich, analog zu Erwachsenen, seit Dezember 2023 telefonisch ein Attest zu besorgen. Kinder- und Jugendärzte fordern nun, Krankschreibungen von Kindern bei leichten Erkrankungen ganz abzuschaffen. "Eltern können harmlose Erkrankungen selbst managen", sagt der Präsident des Kinderärzteverbands BVKJ, Michael Hubmann, in einem Interview mit der Ärzte-Zeitung.

SZ PlusMeinungGesundheit
:Na endlich!

Eltern kranker Kinder sollen künftig nicht mehr am ersten Tag zum Arzt rennen müssen, um Krankengeld zu erhalten. Das entlastet nicht nur die Familien.

Kommentar von Roland Preuß

Wenn Kinderärzte auch harmlose Krankheiten bescheinigen müssen, komme es zu einem "unnötigen Einsatz von pädiatrischen Ressourcen", sagt Hubmann. Außerdem seien Arztpraxen als "Verfolgungsbehörde der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet". Sie könnten nicht beurteilen, ob ein Elternteil zu Hause bleiben müsste oder ob ein anderes Familienmitglied die Betreuung des Kindes übernehmen könnte. "Absurderweise wird aber genau das von uns gesetzlich verlangt." Denn nur mit der Bescheinigung vom Kinderarzt ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Angestellten freizustellen.

Lauterbach hat Erleichterungen angekündigt

Unnötige Arbeit bereiteten den Praxen auch Atteste, die harmlose Krankheiten bescheinigen, damit Kinder wieder zurück in die Kita oder Schule könnten, sagt Hubmann. Er führt dazu folgendes Beispiel an: "Ein Kind hat einen Mückenstich. Die Kita sagt: Das Kind hat einen Hautausschlag. Also hole ich den Papa aus seiner Redaktionskonferenz. Der holt seinen Sohn ab und kommt zu mir in die Praxis." Ein solches Szenario sei "kein Witz, das ist Alltag und ein gesellschaftlicher Schaden".

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist in einigen Fällen bemüht, die bürokratische Last in Arztpraxen zu verringern. Im Oktober hatte der Minister Erleichterungen für die Pflege kranker Kinder zu Hause angekündigt. Der Bild am Sonntag sagte er damals, Eltern sollten nicht mehr am ersten Tag, an dem das Kind krank ist, für ein Attest zum Arzt laufen müssen, um das Kinderkrankengeld in Anspruch zu nehmen. "Das ist unsinnige Bürokratie und belastet Mütter und Väter. Wir können den Eltern da vertrauen."

In einem Eckpunktepapier hat der Minister im vergangenen Jahr Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen vorgelegt. Die telefonische Krankschreibung ist beispielsweise auch ein Teil davon. Patientinnen und Patienten müssen sich bei leichteren Erkrankungen nicht mehr in Praxen schleppen, um eine Krankschreibung für den Job zu bekommen. Bedingung ist, dass man in der Praxis bekannt ist und keine schweren Symptome hat. Bekommen kann man dann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für bis zu fünf Tage. Für eine Folgebescheinigung muss man in die Praxis.

© SZ/kna/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusErkältungssaison
:In Zeiten der Abhärtung

Norovirus und grippale Infekte, Fluchtgedanken und Fatalismus: Sobald kleine Kinder in die Kita gehen, werden sie permanent krank. Und ihre Eltern auch, nach dem ersten Kita-Winter sind sie nicht mehr dieselben.

Von Friederike Zoe Grasshoff; Illustration: Jessy Asmus

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: