Unruhen in den arabischen Öl-Förderländern:Die Ausläufer eines fernen Bebens

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Explodieren die Preise für Erdöl? Die Umbrüche in der arabischen Welt haben die Notierungen in wenigen Tagen um zeitweise 20 Dollar in die Höhe getrieben. Sollten sich die Unruhen nach Saudi-Arabien ausbreiten, könnte alles aber viel schlimmer kommen.

A. Hagelüken

Beim Öl gibt es zurzeit eine magische Marke. Viele Fachleute sind sich einig: Steigt der Preis der für Europa wichtigsten Sorte Brent dauerhaft auf 120 Dollar, bremst das auf dem ganzen Globus die Konjunktur und kostet Arbeitsplätze. Die US-Bank Morgan Stanley sieht die Welt in diesem Fall gar in eine Rezession stürzen.

Ölförderung in Bahrain. Die Welt ist abhängig von Mineralölen, mit denen die Maschinerie des Lebens am Laufen gehalten wird. Doch auch der Staat am Persischen Golf ist von den Unruhen in der arabischen Welt ergriffen worden. (Foto: ag.ap)

Ende vergangener Woche gab es schon einmal eine Ahnung davon: Der Preis für ein Fass Öl kletterte auf 119,97 Dollar, so hoch wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr - bis Saudi-Arabien rasch Hunderttausende Fass mehr förderte als sonst und die Märkte beruhigte. Aber nur fürs erste.

Es sind die Umbrüche in Arabien und Nordafrika, die den Preis innerhalb weniger Tage um zeitweise 20 Dollar oder 20 Prozent springen ließen. Und das versetzt die Wirtschaft in Aufregung wie eh und je. Fast vier Jahrzehnte nach der ersten dramatischen Ölkrise hängt die Welt immer noch am Tropf des Rohstoffs, der fast nur in Staaten mit fragwürdigen Regimen gefördert wird - wie Iran, Saudi-Arabien, Nigeria oder Venezuela.

In Libyen hat der taumelnde Diktator Muammar al-Gaddafi die Kontrolle über die Förderanlagen verloren. Seit Beginn der Unruhen liefert der immerhin zwölftgrößte Öllieferant der Welt kaum noch etwas. Doch dieser Ausfall ist gar nicht der Grund, warum der Preis steigt. Libyen, immerhin für ein Zehntel der europäischen Ölimporte verantwortlich, wird durch andere Staaten ersetzt, vor allem durch Saudi-Arabien. "Im Moment gibt es keine Knappheit", sagt Eugen Weinberg, der für die Commerzbank die globalen Rohstoffmärkte beobachtet.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger wiegelt deshalb ab. Wenn keine anderen Länder die Förderung einstellten, werde in den kommenden Tagen der Höchststand beim Ölpreis erreicht. Beruhigung verbreitet auch die Bundesregierung. Sie sieht keine Anzeichen, dass der deutsche Aufschwung gefährdet sein könnte.

Weitere Unruheherde denkbar

Entwarnung also? Commerzbank-Analyst Weinberg ist sich da nicht so sicher. Gerade hat er die Prognose seines Hauses für März und April von 90 auf 120 Dollar erhöht. "Die Preise steigen, weil es die berechtigte Furcht gibt, dass es zu Knappheiten kommen könne. Die wirkliche Gefahr besteht darin, dass auch aus anderen Staaten keine Lieferungen mehr kommen."

Nachdem das Öl weltweit fast nur von Ländern gefördert wird, in denen Diktatoren herrschen, sind weitere Unruheherde denkbar. Nach Tunesien, Jemen, Ägypten und Libyen griff die Protestwelle jetzt auch auf den Oman über. In der Stadt Sohar blockierten Tausende Demonstranten die Straßen zum Hafen - und zu einer Raffinerie des Sultanats, das immerhin halb so viel zur weltweiten Versorgung beisteuert wie Libyen. Aufruhr gibt es auch in den Förderländern Algerien und Bahrain.

Kurzfristig gilt, dass die Ölstaaten zwar den Ausfall von Libyen ausgleichen können. Engpässe durch mehrere andere Staaten aber sind nicht mehr zu kompensieren. Die Emirate, Irak oder Kuwait fördern bereits fast am Limit. Europäische Raffinerien sondieren seit Tagen, ob sich mehr Öl aus Staaten wie Iran oder Nigeria erhalten lässt, die wegen ihrer Unsicherheit gerne außen vor gelassen werden. Doch sie bekamen keine positiven Botschaften.

Wenn Saudi-Arabien ausfällt, ist jeder Ölpreis denkbar

So mag sich niemand ausmalen, was geschieht, wenn der weltweit größte Lieferant ausfällt, der seine Produktion noch stark erhöhen könnte: Saudi-Arabien. "Wenn Saudi-Arabien betroffen ist, kann man sich jeden Preis vorstellen. Dann gehen wir möglicherweise in eine neue Ölkrise" glaubt Analyst Weinberg. Mit massiven finanziellen Geschenken an seine Bevölkerung versucht das Herrscherhaus in Saudi-Arabien jeden Protest zu ersticken. Falls die Situation eskaliert, veranschlagt die japanische Bank Nomura den Preis schon mal auf 220 Dollar je Fass.

Bei solchen Szenarien gilt es allerdings, ein paar Dinge zu bedenken. Wenn Förderstaaten zum Wohle ihrer Menschen endlich demokratische Regime erhalten, bedeutet das kein Ende der Ölproduktion. Warum auch. Jedes Land wird weiter ein großes Interesse haben, seinen Rohstoff in hohen Mengen zu verkaufen.

Allerdings lässt sich in allen Staaten kaum absehen, ob nicht auch andere Kräfte an die Macht kommen und welches Spiel diese dann mit dem Ölpreis treiben. Und im Umbruch kann es zu allen möglichen Situationen kommen, die die weltweite Versorgung betreffen.

Unvergessen ist, wie irakische Soldaten im Golfkrieg 1991 bei ihrem Abzug aus Kuwait Ölquellen anzündeten. Oder wie nach dem Sturz des brutalen Schahs von Persien durch den ähnlich brutalen Ayatollah Chomeini im Iran 1979 die Produktion zusammenbrach, der Preis in die Höhe schoss und die Welt in eine Rezession schlitterte.

Montags tanken ist billiger

Eines ist sicher: Die Konjunktur reagiert sehr sensibel auf einen hohen Ölpreis. Faustregel: 20 Dollar mehr kosten bei dauerhafter Erhöhung einen Prozentpunkt weltweiten Wirtschaftswachstums- hart für einen Erdball, der sich gerade von der Finanzkrise erholt. 2008 stürzte die Welt nicht nur wegen der Finanzkrise in die Rezession, ein Ölpreis von 150 Dollar trug dazu bei, die Konjunktur in die Tiefe rauschen zu lassen.

Deutschlands Autofahrer bekommen bereits zu spüren, was beim Ölpreis geschieht. Der Liter Superbenzin kostete vergangene Woche an manchen Tankstellen 1,57 Euro. Das ist ähnlich viel wie im Sommer 2008, als der Preis auf seinem Rekord von 150 Dollar lag - damals schützte ein starker Euro die Autofahrer hierzulande. Diesmal ist von der europäischen Währung kein Rückhalt zu erwarten. Wer sparen will, weicht auf freie Tankstellen und Supermärkte aus, die häufig besonders günstig sind. Und er tankt montags - da kostet das Benzin nach einer Untersuchung des ADAC aus dem Jahr 2009 im Schnitt fast vier Cent weniger als am Freitag, vor dem Wochenende.

© SZ vom 01.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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