München:Kuhglocken-Streit: Nach Richter-Besuch nur drei Schellen

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Das Gerichtsgebäude vom Oberlandesgericht München. (Foto: Matthias Balk/dpa/Archivbild)

Trotz des hohen Besuchs wirkten Sabine, Sandra, Melissa, Annika und Sabrina eher müde. Anstatt über die Weide zu laufen, ruhten die fünf Kühe erschöpft im Gras....

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Holzkirchen (dpa/lby) - Trotz des hohen Besuchs wirkten Sabine, Sandra, Melissa, Annika und Sabrina eher müde. Anstatt über die Weide zu laufen, ruhten die fünf Kühe erschöpft im Gras. Und die zur Hörprobe extra aus München angereisten Richter des Oberlandesgerichts bekamen wenig zu hören von dem angeblich viel zu lauten Gebimmel der seit Jahren vom Nachbarehepaar bekämpften Kuhglocken in Holzkirchen.

Vielleicht lag das Ruhebedürfnis der Kühe darin begründet, dass sie hochträchtig sind. „Der Augenschein ist aus unserer Sicht mehr oder weniger nutzlos verlaufen“, stellte der Vorsitzende Richter Nikolaus Stackmann ärgerlich fest. Zu verantworten habe dies die beklagte Bäuerin, die trächtige Mutterkühe auf die Weide gestellt habe anstatt Jungrinder. Zugleich stellte der Richter der klagenden Ehefrau wenig Chancen auf Erfolg in Aussicht. Und er wollte nun eine Lösung: „Ich habe das Gefühl, einer unendlichen Geschichte beizuwohnen.“

So geschah trotz missglückter Hörprobe das, was nach dem quer durch alle Instanzen geführten Streit kaum jemand erwartet hatte: Das Ehepaar und die Bäuerin rangen sich zu einem neuen Vergleich durch, der den Zwist endgültig aus der Welt schaffen soll: Höchstens drei Kühe dürfen Glocken tragen, mit einem Durchmesser von zwölf Zentimentern, und einem zusätzlichen Zentimeter Kulanz. Zudem dürfen die beglockten Tiere nur in einem weiter vom Wohnhaus des Paares entfernten Teil der Weide grasen - das sieht schon ein Vergleich von 2015 vor.

Die Richter machten sich aus nächster Nähe ein Bild. Selbst bei einem Abstand von drei, vier Metern zu einer Kuh habe der Lärm - gemessen mit einer Handy-App eines Richters - „nur ein bisschen über 60 Dezibel“ gelegen, und damit knapp am Richtwert von 65 Dezibel, bilanzierte Stackmann. Einer Schmerzensgeldforderung der Ehefrau in Höhe von 21 000 Euro für gesundheitliche Folgen des schlafraubenden Lärms wie Kopfschmerzen und depressive Verstimmung räumte der Richter wenig Chancen ein.

Auch die Bäuerin Regina Killer, die eigens mit zwei Testglocken ins Gericht gekommen war, nahm der Richter ins Gebet. Sie solle einmal überlegen, bei wie vielen Landwirtschaften so nah an Wohnhäuser es Usus sei, Kühe mit Glocken auf die Weide zu schicken. Schon vor mehr als 100 Jahren, 1918, habe in Garmisch-Partenkirchen ein Bauer eine „massive Ordnungsstrafe“ erhalte, weil er Kühe auf einer eingezäunten Weide mit voluminösen Glocken behängt habe - was unnötig sei. Es müsse beiden Seiten klar sein: „Es gibt Gründe, sich zu vergleichen.“

Darum wurde hart gefeilscht. Diskutiert wurde ein Maximum von zwei Glocken oder nur einer, ein anderer Zuschnitt der Weidefläche, eine Mähpflicht des Ehepaares als Ausgleich für den Mehraufwand und, so schlug eine Richterin vor, ein „Schlafzimmer“ für die Kühe, das weit genug weg wäre vom Anwesen - und damit vom Schlafzimmer des Paares.

Schon nach dem Vergleich von 2015 mussten Kühe mit Glocken gut 20 Meter Abstand vom Haus des Paares halten. Doch das fühlte sich weiter gestört. Ehemann und Ehefrau klagten in getrennten Verfahren. Beide scheiterten in erster Instanz vor dem Landgericht München II, der Ehemann verlor auch in zweiter Instanz vor dem OLG. Der Bundesgerichtshof wollte sich mit dem Fall nicht befassen - die obersten Zivilrichter sahen keine grundsätzliche Bedeutung. Nun verhandelte das OLG die Klage der Frau in zweiter Instanz.

Jetzt könnte Frieden einkehren. Er rechne damit, dass sich der Lärmpegel „um bis zu 50 Prozent vermindert“, sagte der Anwalt des Ehepaares, Peter Hartherz. „Von daher ist etwas an Ruhe wieder eingekehrt, wenn auch nicht so viel, wie man sich gewünscht hätte.“ Auch die Bäuerin Regina Killer gab sich zufrieden: „Damit kann ich leben - aber dann muss eine Ruhe sein.“

Für Holzkirchens Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) ging es auch um Grundsätzliches, um das friedliche Miteinander von Wohnen und Landwirtschaft. Schließlich wurde schon geklagt wegen angeblich zu lauten Gekrähes von Hähnen oder wegen Kirchenglocken. Die Gemeinde war in dem Fall ebenfalls beklagt - denn sie hat der Bäuerin die Weide verpachtet. Er sei als Gemeindeoberhaupt froh, dass der Streit nun einvernehmlich beendet wurde, sagte Schmid nun. „Mir ist wichtig, dass man ein harmonisches Miteinander hat.“

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