Russische Hacker:Der Spion, der aus dem Rechner kam

Computer Hacker

Nicht alle Hacker arbeiten in dunklen Räumen mit schummriger Neon-Beleuchtung. Die wenigsten tragen dabei Handschuhe.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Kaum ein Land beherrscht die Kunst des Hackens so wie Russland. Dieser Wissensvorsprung hat eine Vorgeschichte, die in Deutschland beginnt.

Von Georg Mascolo und Hakan Tanriverdi

Wie beginnt die Geschichte vom Aufstieg Russlands zur Cyber-Großmacht, die - so lauten Vorwurf und Klage - Wahlen in den USA manipuliert, sich mit raffinierten digitalen Einbruchswerkzeugen in den Bundestag und das besonders geschützte deutsche Regierungsnetz hackt?

Sie beginnt mit einem Toten. Im Frühsommer 1989 wird er in einem Wald in der Nähe der niedersächsischen Stadt Gifhorn gefunden. Die Leiche ist verbrannt, neben ihr findet sich ein Klumpen Kunststoff. Die Polizei wird sagen, dass dies der Kanister war, aus dem sich das Opfer mit Benzin übergossen habe, bevor es sich selbst verbrannte.

Der Tote wird als Karl Koch identifiziert, ein Schulabbrecher, drogensüchtig, aber ein früher Virtuose am Computer. Koch war ein Hacker, der zeitweilig gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden dem sowjetischen Geheimdienst KGB zugearbeitet hatte. Ziemlich bekifft und pleite waren Mitglieder der Gruppe Jahre zuvor nach Ost-Berlin gefahren und hatten den Sowjets ihre Dienste angeboten. Sie könnten in geheime amerikanische Datensysteme eindringen. Die Skepsis war anfangs groß, aber dann ließ sich ein KGB-Mann namens Sergej überzeugen. Man könne es ja einmal probieren.

"Ganz neue Qualität gegnerischer Ausspähung"

Die Sache flog auf, vom "größten Spionagefall seit Günter Guillaume" war die Rede. Das war übertrieben, aber in den Archiven findet sich bis heute der Satz des damaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes. Man habe es "hier ganz sicherlich mit einer neuen Qualität gegnerischer Ausspähung unserer Datennetze zu tun".

Fast 30 Jahre später hört man diesen Satz ziemlich oft.

Die damalige KGB-Operation ist der erste amtlich verzeichnete Fall staatlicher Computerspionage, der Fall Karl Koch kam in den Neunzigerjahren unter dem Titel "23 - Nichts ist so wie es scheint" in die Kinos. Mithilfe eines "Haufens vollgedröhnter deutscher Hacker", so schreibt es der britische BBC-Sicherheitsexperte Gordon Corera in seinem Buch "Cyberspies", habe das KGB vor allen anderen das Potenzial dieser Form der Spionage erkannt.

In Moskau wurde früh erkannt, dass der Computer die Welt beherrschen würde

Ausgerechnet Russland. Das Land der brillanten Mathematiker, Physiker und Schach-Großmeister. Einerseits. Andererseits telefonieren und kommunizieren seine eigenen Bürger mit amerikanischen, koreanischen, chinesischen Computern und Handys. Keiner der ganz großen Internet-Weltkonzerne hat seinen Sitz in Moskau oder Sankt Petersburg. Aber in allen größeren Städten gibt es Apple-Stores.

Und doch würde Russland heute keinen Karl Koch mehr benötigen. Ganze "Digitalarmeen aus dem Osten" stünden inzwischen bereit, schreibt der Spiegel. Westliche Geheimdienste sind davon überzeugt, dass diese seit Jahrzehnten angeheuert und trainiert wurden, geduldig habe Russland seine Kapazitäten im Cyberbereich aufgebaut. Weil in Moskau früh erkannt wurde, dass der Computer die Welt revolutionieren würde. Und in der Welt der Spionage kein Stein mehr auf dem anderen bleiben würde.

Der Computer und der Spion haben eine lange Geschichte. Zu den ersten Rechnern gehörten jene, die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges entwickelt wurden, um die militärischen Codes der deutschen Verschlüsselungsmaschine "Enigma" zu knacken. Der Coup half den Alliierten, Hitler-Deutschland niederzuringen. Briten und Amerikaner hatten die Geräte entwickelt, die Sowjetunion blieb außen vor. Der Wettlauf begann.

Der Osten fiel zurück, im Kalten Krieg war für den KGB und seinen ostdeutschen Partner, die Stasi,das Stehlen von Computertechnologie neben militärischen Geheimnissen die wichtigste Aufgabe. Ganze Abteilungen arbeiteten auf Bestellung der hoffnungslos unterlegenen osteuropäischen Technologiekombinate. Es war einer der größten Raubzüge des industriellen Zeitalters. Einer, der als junger KGB-Offizier, Dienstsitz Dresden, wohl auch mit diesen Aufgaben betraut war, heißt Wladimir Putin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: