Unterfranken:Zollbeamter hilft einem Rechtsextremisten und einer Ultra-Gruppierung

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Die Würzburger Staatsanwaltschaft hat einen 36-Jährigen wegen des Mordes an seiner Frau angeklagt. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Einem rechtskräftigen Strafbefehl zufolge hat ein bayerischer Zollbeamter die Adresse eines Journalisten an einen Rechtsextremisten weitergegeben - und die Anschrift eines Ultra-Mitglieds an eine verfeindete Ultra-Gruppierung.

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Ein bayerischer Zollbeamter hat die Adresse eines über Rechtsextremismus arbeitenden Journalisten an Dritte weitergegeben. Einem Strafbefehl zufolge - der der Süddeutschen Zeitung vorliegt - hat ein Mann mit dem Beamten über sein Mobiltelefon Kontakt aufgenommen und darum gebeten, ob dieser die Adresse eines Journalisten herausgeben könne. Der Zollbeamte aus dem mittleren Dienst mit Dienstsitz im unterfränkischen Dettelbach hat daraufhin laut Strafbefehl im EDV-System des Zolls die Adresse herausgesucht und per Telegram-Chat an den Anfragenden weitergereicht. "Der wohnt jetzt in Berlin", beginnt die Antwort laut Strafbefehl, anschließend folgt die Angabe von dessen neuem Wohnsitz sowie das Geburtsdatum.

Der Strafbefehl wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei Fällen beläuft sich auf 90 Tagessätze in Höhe von 65 Euro. Nach Angaben des Würzburger Oberstaatsanwalts Thorsten Seebach ist er bereits rechtskräftig, nachdem der Zollbeamte diesen akzeptiert hat. Zu einem öffentlichen Prozess kam es deshalb nicht.

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Dass der Mann, dem der Zollbeamte bei der Adressensuche half, ein einschlägig bekannter Rechtsextremist ist, ziehe sich "durch dessen Akte", heißt es aus Justizkreisen. Dass der Zollbeamte dies nicht gewusst habe, sei zwar "naiv zu glauben", aber "schwer nachzuweisen". Ebenso dürfte es eher nicht wahrscheinlich sein, dass er nicht wusste, dass der Preisgegebene als Journalist auch im Rahmen der Amadeu Antonio Stiftung tätig ist - eine einfache Google-Recherche bestätigt dies so. Ziel der Stiftung ist es, die Zivilgesellschaft in Deutschland gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus zu stärken.

Der Beamte gilt im landläufigen Sinne als nicht "vorbestraft"

Laut rechtskräftigem Strafbefehl nutzte der Beamte den Zugriff auf EDV-gestützte Informationssysteme des Zolls - die nur zu dienstlichen Zwecken abgefragt werden dürfen und als geheimhaltungsbedürftig gelten - auch in einem weiteren Fall. Dieser ist nicht weniger heikel. So hat der Beamte laut Strafbefehl im Oktober 2020 Anschrift und Geburtsdatum eines Mannes abgefragt und an 14 Teilnehmer einer Threema-Gruppe weitergeleitet. Bei der Organisation, die hinter der Threema-Gruppe steht, handelt es sich um die Ultra-Fangruppierung des FC Schweinfurt. Bei der abgefragten Person handelt es sich nach polizeilichen Erkenntnissen um einen Ultra-Fan der Würzburger Kickers. Für diesen hätte die Abfrage sehr gefährlich werden können, weil die beiden in Unterfranken beheimateten Ultra-Gruppierungen als verfeindet gelten.

Beantragt hat die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl im Dezember 2022. Bekannt wurde der Fall erst jetzt durch BR-Recherchen. Denen zufolge soll der Beamte bei der Kriminalpolizei angegeben haben, er pflege keinen Kontakt zu Rechtsextremen. Den Anfragenden kenne er "vom Fußball". Die verhängten 90 Tagessätze bedeuten, dass der Beamte im landläufigen Sinne als nicht "vorbestraft" gilt. Schwerste disziplinarrechtliche Konsequenzen dürften daher unwahrscheinlich sein.

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