Gut zwei Jahre ist es her, dass der damals suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs vor die Presse trat. Mit einer Mischung aus Wut und Genugtuung schleuderte er allen entgegen, man habe ihn wie "ein Stück Scheiße" behandelt. Das Landgericht Regensburg hatte zuvor ein kurioses Urteil gesprochen, das Wolbergs in einen Freispruch umdeutete: Ein örtlicher Bauunternehmer hatte ihm zwischen 2011 und 2016 fast eine halbe Million Euro zukommen lassen - aus Sicht der Vorsitzenden Richterin Elke Escher nicht so schlimm: Sie verurteilte Wolbergs zwar wegen Vorteilsannahme, verzichtete aber auf eine Strafe. Schließlich sei der arme Wolbergs mit den Ermittlungen gegen ihn und der Presseberichterstattung bereits genug gestraft.
Am Donnerstag kippte der Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig diesen Urteilsspruch und rückte dabei auch die Maßstäbe wieder zurecht. Anders als seine Regensburger Kollegen fielen der Vorsitzende Richter Günther Sander und sein Senat nicht auf die erneut von Wolbergs und seinen Anwälten vorgetragene Opfer-Geschichte herein, wonach er "wie die Sau durchs Dorf getrieben worden" sei. Die mediale Begleitung, beschied Sander, sei bei einem Oberbürgermeister eine "typische Tatfolge".

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Denn darum geht es: um Straftaten. Der frühere SPD-Politiker Wolbergs ist inzwischen in einem weiteren Fall wegen Bestechlichkeit zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden - daran fand der BGH nichts zu beanstanden. Nach der Entscheidung von Leipzig muss nun das Landgericht München I den ersten Prozess wieder aufrollen, auch deshalb, weil das Strafmaß zu gering bemessen war.
In Regensburg hielt auch die CSU die Hand auf - wie man nächste Woche sehen wird
Wolbergs selbst empfand es nie als anstößig, dass er mit gestückelten Spenden bedacht wurde. Schließlich konnte er mit dem Geld einen luxuriösen Wahlkampf bestreiten, der ihm 2014 zum Amt des OB verhalf. Erst danach brachten Ermittlungen ans Licht, wie eng in einer prosperierenden Stadt wie Regensburg die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik sind. Mit 150 000 Einwohnern ist die Stadt noch übersichtlich genug für kleinräumige Spezlwirtschaft, weil man sich halt dauernd über den Weg läuft, und sei es auf dem Fußballplatz. Zugleich lassen sich mit Bauprojekten Abermillionen verdienen. Aus Sicht eines Unternehmers mag es da durchaus naheliegend erscheinen, sich die Politik mit Spenden gewogen zu machen.
In Regensburg hielt auch die CSU gerne die Hand auf, und zwar auf unverfrorene Weise, weshalb am Montag schon der nächste Prozess gegen einen prominenten Lokalpolitiker beginnt: Dann steht der CSU-Landtagsabgeordnete Franz Rieger wegen Erpressung, Verstoß gegen das Parteiengesetz und Steuerhinterziehung vor Gericht. Rieger soll laut Anklage bei einem Bauunternehmer 60 000 Euro für seinen Landtagswahlkampf eingefordert und ihm im Falle einer Weigerung mit Nachteilen gedroht haben. Es bekam das Geld über Umwege - und Ärger mit der Justiz.
Was Wolbergs betrifft, so scheinen ihm viele Regensburger Bürger sein Fehlverhalten nicht sonderlich übel genommen zu haben. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2020 erhielt er immerhin 17,8 Prozent der Stimmen, mit seiner Wählervereinigung "Die Brücke" sitzt er im Stadtrat. Wie es heißt, sei er einer OB-Kandidatur im Jahr 2026 nicht abgeneigt. Wahrscheinlich wird er dann ohne Spenden aus der Bauwirtschaft auskommen müssen.