Unter Bayern:Die sind ja alle so gescheit

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Landtagspräsidentin Ilse Aigner kritisierte die Verrohung der politischen Kultur - ohne Erfolg. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

In einem sonst sehr bunten Parlament gibt es nur noch Schwarz und Weiß. Da droht der Volldeppen-Alarm.

Kolumne von Franz Kotteder

Dieser Tage könnte man wieder an das satirische Gedicht "Eröffnungshymne" von Ludwig Thoma aus dem Simplicissimus von 1905 denken. Es geht darin um die Neukonstituierung des Bayerischen Landtags und beginnt mit den Worten: "Was ist schwärzer als die Kohle? Als die Tinte? Als der Ruß?" Von den fürchterlichen zwölf Jahren einmal abgesehen, hatten diese Zeilen jahrzehntelang durchaus Bestand. Inzwischen ist das anders.

Heute sitzen Menschen in diesem Landtag, und nicht eben wenige, die einen an den späten Thoma erinnern, der in seinen letzten Jahren zum rassistischen, widerwärtigen Menschenfeind geworden war. Oder solche, die dem hinterherlaufen, was sie für die herrschenden Stimmungen im Bayernvolk halten - manchmal mit Recht, oft aber auch zu Unrecht. Möchte man zumindest hoffen.

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Man kann kaum verlangen, dass ein Parlament besser ist als das Volk, das es vertritt. Aber es wäre doch schön, wenn sich wenigstens eine Erkenntnis im Maximilianeum durchsetzen würde, die jeder aus der eigenen Erfahrungswelt kennt. Umberto Eco hat es in seinem Roman "Das Foucaultsche Pendel" so formuliert: "Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche." Gerade mit Fleiß aber geht der Trend hin zur jeweils einfachsten Lösung.

Befördert von diversen asozialen Medien, folgen zunehmend mehr Politiker diesem Trend, berauscht von der eigenen Aufgeblasenheit. Unablässig wird von der jeweiligen Gefolgschaft dazu aufgefordert, sich dieser Aufgeblasenheit anzuschließen, weil man ja sonst nur als Volldepp bezeichnet werden könne. Wichtig ist: Die Meinung darf keinen Millimeter abweichen von der eigenen. Weil sonst: wieder Volldepp!

Noch schlimmer und nachgerade völlig verantwortungslos ist aber die Totalverweigerung. Wer sich zu einem Sachverhalt gar nicht äußert, kann das ja schließlich nur deshalb, weil er auf der Gegenseite steht oder - fast genauso schlimm - relativieren möchte. Probleme, bedeutet das, sind nämlich nie komplex und einfache Lösungen deshalb nicht falsch, sondern immer richtig. Ob es um Migration, Klima, Wärmepumpen oder Wildsäue geht: Überall darf es nur Schwarz oder Weiß geben, aber nichts dazwischen. Klare Antworten sind gefordert. Vielleicht aber wird das dem Volk eines Tages auch wieder fad, und dann schlägt die Stunde jener, die bekennen: "Ich kann dazu nichts sagen, weil da kenne ich mich nicht so aus." Das wäre doch sehr wohltuend.

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