Staatsregierung:Rückerstattungs-Kriterien für "Strabs" sollen bis März feststehen

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Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bei einer Pressekonferenz. (Foto: dpa)
  • Bis März will die Staatsregierung die Kriterien für die rückwirkende Erstattung von ab Anfang 2014 gezahlten Straßenausbaubeiträgen festlegen.
  • Dazu hat das Kabinett die Einsetzung einer Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus dem Innen-, Finanz- und Wirtschaftsministerium beschlossen.
  • Welche Faktoren - etwa die Höhe des Gebührenbescheids, der Zeitpunkt der Rechnungsstellung oder die soziale Lage der Zahler - zum Tragen kommen, ist noch ebenso offen wie die genaue Besetzung der Kommission.

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Da stehen sie also, Hubert Aiwanger und Florian Herrmann, und sagen es schon wieder, dieses lange, komplizierte Wort. Im Wahlkampf stand es zwischen ihnen, jetzt, in der Koalition, verbindet es sie: Straßenausbaubeitragssatzung. FW-Chef Aiwanger geht es leicht über die Lippen. Die "Strabs" war sein Wahlkampfschlager, in den so viele Bürger einstimmten, dass ihn am Ende auch die CSU sang, wenn auch durch zusammengebissene Zähne. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) dagegen ist die Hoffnung anzumerken, dass es sich mit der Kabinettssitzung am Dienstag ausgestrabst hat.

Das Kabinett stellt seine Pläne vor, wer für die Erneuerung von Straßen wie viel Geld bekommt - rückwirkend und in der Zukunft. Seitdem die CSU im April die Straßenbeiträge abgeschafft hat, können Gemeinden Hauseigentümer nicht mehr dazu verpflichten, für die Erneuerung ihrer Straße zu zahlen. Vom 1. Januar 2018 an übernimmt der Staat, und damit der Steuerzahler, die Kosten. Im Wahlkampf war das Aiwanger noch nicht genug, er forderte eine Rückerstattung von 2014 an.

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Ein willkürliches Datum sei das, und damit rechtlich nicht möglich, lautete damals das Argument der CSU, vorgetragen von Herrmann. Jetzt referiert er den Kompromiss, auf den sich CSU und FW einigten, und für den sich Aiwanger "sehr dankbar" zeigt. Nur bei Härtefällen soll es eine Rückerstattung geben, die rechtlichen Einwände seien damit "umschifft", sagt Herrmann. Insgesamt 50 Millionen Euro stehen für die Jahre 2014 bis 2017 zur Verfügung. Das sind etwa 20 Prozent der Kosten, die in dieser Zeit für die Straßenerneuerung anfielen. Wer als Härtefall gilt, darüber berät eine Arbeitsgruppe des Finanz-, Wirtschafts- und Innenministeriums bis März 2019. Sie bestimmt auch die Zusammensetzung einer Härtefallkommission, die dann entscheiden soll, wer Geld bekommt und wer nicht.

Während Herrmann darauf verweist, dass die Kriterien erst erarbeitet werden, lässt Aiwanger die Öffentlichkeit schon an seinen Überlegungen teilhaben. Als Härtefall könne etwa gelten, wer "astronomisch hohe Summen gezahlt hat, etwa 100 000 Euro". Oder Hausbesitzer, die ihr Grundstück verkaufen mussten, um überhaupt zahlen zu können, oder aber Hauseigentümer, die ihre Zahlungsaufforderung kurz vor der Frist bekamen. So weit die Fälle der Vergangenheit. Mindestens genauso wichtig aber sei die Zukunft, sagt Aiwanger.

Auf die blickten vor allem die Bürgermeister der mehr als 2000 Gemeinden mit Sorge. Etwa 65 Millionen Euro brauchen sie im Jahr für die Straßenerneuerung, die sie jetzt vom Staat bekommen sollen. "Wir werden die Kommunen nicht im Regen stehen lassen", so lautete damals das Versprechen der CSU.

Herrmann und Aiwanger sind der Auffassung, die Staatsregierung habe es gehalten. Im Jahr 2019 bekommen die Gemeinden 100 Millionen Euro. Bis zu 65 Millionen Euro davon können für die Kosten von Altfällen aus 2018 verwendet werden. Diese fallen an, da die Gesetzesänderung rückwirkend ab dem 1. Januar 2018 gilt und einige Gemeinden schon Geld von Hauseigentümern eingefordert haben, das diese nun nicht mehr zahlen müssen.

Die restlichen 35 Millionen Euro sollen die Kosten abdecken, die 2019 für die Straßenerneuerung anfallen. Berechtigt sind nur Gemeinden, die zuvor eine Satzung hatten und ihre Hauseigentümer belangten. 2020 fällt diese Regelung größtenteils weg. Insgesamt stellt der Staat dann 150 Millionen Euro zur Verfügung. Gemeinden mit Satzung sollen nun nur noch ein wenig bevorzugt werden. Auf dieses System habe man sich mit Vertretern der Kommunen geeinigt. "Wir haben die kommunalen Spitzenverbände im Boot", sagt Aiwanger. Die Lebensqualität der Bürgermeister, die ihre Bürger jetzt nicht mehr um Geld bitten müssen, habe sich extrem erhöht, sagt Herrmann. Ein Gespräch mit dem Präsidenten des Gemeindetags über die "Strabs" ist dagegen von weniger Euphorie geprägt.

"Mit ihrer Abschaffung haben sich die beiden Koalitionsparteien nicht viele Freunde bei den Kommunen gemacht", sagt Uwe Brandl (CSU). Die bisherigen Gespräche mit der Staatsregierung über einen "gerechten Ausgleich der wegfallenden Einnahmen" seien keine erfreuliche Lösung für Städte und Gemeinden. Er übt aber auch grundsätzliche Kritik. Ihm geht es um die kommunale Selbstverwaltung, also um die Eigenständigkeit der Kommunen. Sie zeige sich gerade in dem Recht und der Pflicht der Kommunen, von ihren Bürgern Gebühren zu verlangen: "Da ist es nicht fair, wenn man ihnen bewährte Einnahmequellen versagt und sie immer mehr ans Gängelband des Staates zwingt."

"Bis gestern war der Gemeindetag noch dabei", wundert sich Herrmann. Die jetzige Regelung sei vielleicht kompliziert, aber gerecht. Und trotzdem könnte es sein, dass es am Dienstag nicht das letzte Mal war, dass er von der "Straßenausbaubeitragssatzung" reden muss.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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