Schliersee:Seniorenheim-Betreiber droht die Kündigung

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Verwahrlost und unterernährt - über Monate sollen Bewohner in einem Seniorenwohnheim in Oberbayern völlig unzureichend betreut worden sein. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt bereits - jetzt wollen die Pflegekassen die Reißleine ziehen.

Im Fall der Seniorenresidenz im oberbayerischen Schliersee, in der viele der betagten Bewohner teils über Jahre hinweg schwer vernachlässigt worden sein sollen, drohen die Pflegekassen dem derzeitigen Betreiber mit Konsequenzen. Sie wollen den Versorgungsvertrag mit dem Heim zum 31. August vorzeitig beenden. Dies bestätigte eine Sprecherin der AOK am Dienstag im Namen der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern. Diese begründet ihre außerordentliche Kündigung "mit der Verletzung der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen". Der Medizinische Dienst der Krankenkassen habe bei seinen Qualitätsprüfungen in der Seniorenresidenz wiederholt "schwerwiegende Risiken und Defizite" festgestellt.

Ähnliches hatten über viele Jahre hinweg immer wieder Überprüfungen durch die Heimaufsicht des Landratsamtes Miesbach ergeben. Trotzdem hatte die Behörden nach Angaben des jetzigen Landrats Olaf von Löwis nie eine echte Handhabe, um das Heim wirklich zu schließen - auch weil dessen Träger mehrmals gewechselt habe. Der jetzige Träger betreibt die Seniorenresidenz seit 2019.

Ihm haben die Pflegekassen nach eigenen Angaben bis Ende dieses Monats Zeit für eine Stellungnahme gegeben, ehe endgültig über die Kündigung des Vertrags entschieden werde. Komme es zu einer solchen Kündigung, wie es sie in Bayern in den vergangenen zehn Jahren nur zweimal gegeben habe, würden sich die Pflegekassen "natürlich" um die weitere Betreuung der Bewohner kümmern. Der aktuelle Leiter des Heimes, Robert Jekel, betonte auf Anfrage der dpa, eine Kündigung liege ihm nicht vor. Zugleich kündigte er eine Stellungnahme an.

Neben den Pflegekassen und der Heimaufsicht beschäftigen sich seit einiger Zeit auch Polizei und Staatsanwälte mit der Seniorenresidenz. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt nach eigenen Angaben wegen des Verdachts auf Körperverletzungsdelikte an 88 Bewohnern. Einige von ihnen seien verwahrlost und unterernährt gewesen. Auch 17 Todesfälle würden untersucht. Zugleich gehen Staatsanwälte der Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs nach. Heimleiter Jekel, der seinen Posten nach Beginn der Ermittlungen angetreten hat, wies die Vorwürfe zurück.

© SZ vom 19.05.2021 / dpa, kpf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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