Landgericht Traunstein:Drahtzieher von Großschleusungen soll vor Gericht

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Beamte der Bundespolizei folgten dem Schleuserfahrzeug rund 40 Kilometer bis Aschau im Chiemgau. (Foto: Bundespolizeiinspektion Rosenheim)

Nach Schleusungen bekommt die Polizei meist bestenfalls einen einfachen Fahrer zu fassen. Doch die Staatsanwaltschaft in Traunstein hat jetzt Anklage gegen einen mutmaßlichen Hauptorganisator erhoben.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte sich der Mann selbst ans Steuer gesetzt. An der Grenzkontrollstation auf der A 93 bei Kiefersfelden gab er Gas und versuchte die Flucht, die ihn rund 40 Kilometer weit bis in eine Seitenstraße in Aschau im Chiemgau führte - mit teils mehr als 200 Stundenkilometern, obwohl nicht nur vier illegale Migranten aus der Türkei mit ihm im Auto saßen, sondern zwei weitere versteckt hinten im Kofferraum lagen. So hat die Bundespolizei im November 2022 über diese Flucht berichtet, die unter anderem durch einen Graben und eine Baustellenabsperrung führte und an deren Ende die Beamten den Mann mit Pfefferspray außer Gefecht setzen mussten, um ihn festnehmen zu können.

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Traunstein Anklage gegen den 33-jährigen Aserbaidschaner erhoben - nicht nur wegen dieser einen Schleuserfahrt, sondern weil sie ihn für den Hauptorganisator von mehr als 20 einzelnen Schleuserfahrten mit insgesamt mehr als 400 Geschleusten hält.

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Demnach soll der Mann das Einschleusen all dieser Migranten in einzelnen Etappen von Ungarn bis Deutschland geplant und den zumeist türkischen Staatsbürgern unter anderem Zugfahrkarten und Bustickets sowie Schlafplätze besorgt haben. Nach Deutschland seien sie am Ende vorwiegend von Österreich über die Inntalautobahn und über die A 8 von Salzburg sowie aus Tschechien über die A 17 Richtung Dresden gebracht worden.

Pro Person soll der 33-Jährige nach der Überzeugung der Traunsteiner Staatsanwälte mindestens 400 Euro erhalten haben - bei Beträgen zwischen 6500 und 8000 Euro, welche die Schleuserorganisation insgesamt für und von jedem einzelnen Eingeschleusten verlangt habe. Die Bande habe bei mehr als 400 Geschleusten so rund 3,2 Millionen Euro eingenommen. Darin liegt nach Ansicht der Strafverfolger auch der Grund, warum sie möglichst große Gruppen von teils mehr als 30 Migranten auf einmal eingeschleust habe. Dies deckt sich mit den Beobachtungen der Polizei, wonach es zuletzt zu immer mehr sogenannten Großschleusungen gekommen ist.

Die Spuren führten zunächst nach Osteuropa

Die Ermittlungen gegen den 33-Jährigen führte die 2018 in Traunstein eingerichtete Spezialabteilung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität. Dieses sogenannte "Traunsteiner Modell" hat der Freistaat inzwischen auf mehrere andere Staatsanwaltschaften ausgedehnt. Im konkreten Fall verfolgten die Traunsteiner nach eigenen Angaben zunächst Spuren, die bis nach Ungarn, Polen, Tschechien oder in die Slowakei führten, und stießen dabei auf Querverbindungen zu den anderen Schleusungen. Dass den Ermittlern nicht nur die Fahrer als letztes Glied der Kette ins Netz gehen, sondern auch ein Drahtzieher, ist eher die Ausnahme als die Regel.

Dem Verdächtigen werfen sie nun nicht nur banden- und gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern vor, sondern wegen der gefährlichen Flucht auch ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen. Den Biss in die Hand eines Bundespolizisten bei der Festnahme werten sie als tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Körperverletzung. 160 000 Euro aus den Schleusergeschäften des Mannes wollen sie ebenso einziehen wie seinen hochmotorisierten SUV und seinen Führerschein. Über die Zulassung der Anklage muss nun das Landgericht Traunstein entscheiden.

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