Gertraud Gruber:Kosmetikschule oder Flüchtlingsheim

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Rottach-Egern am Tegernsee hat seine idyllischen Seiten. Und andere auch. (Foto: Norbert Jansen/Imago)

Weil in Rottach-Egern am Tegernsee ein gerichtlicher Baustopp die Pläne einer prominenten Marke behindert, soll dort stattdessen eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Eine Drohung?

Kolumne von Matthias Köpf, Rottach-Egern

Damit aus einer Ankündigung eine Drohung wird, braucht es immer wen, der sie als Drohung versteht. Etwa einen Bürgermeister, dem ein wichtiger und bisher recht wohltuender Gewerbesteuerzahler mitteilt, man könne die umstrittenen Baupläne auch anderswo verwirklichen und bei der Gelegenheit gleich den Hauptsitz dorthin verlegen. So eine "Verlagerung des Betriebssitzes" wäre aus Sicht von Bürgermeister Christian Köck und der Gemeinde Rottach-Egern am Tegernsee aber "äußerst bedauerlich". Das haben Köck und die "Gertraud und Josef Gruber-Stiftung" in einer gemeinsamen Erklärung auf der stiftungseigenen Homepage neulich so mitgeteilt. An "Erpressung" werde "nicht festgehalten", heißt es weiter.

Das war aber auch eine unschöne Formulierung in Bezug auf die Gruber-Stiftung, die das Erbe der 2022 im Alter von 100 Jahren verstorbenen Schönheitsfarmkönigin Gertraud Gruber verwaltet. Zumal die Gemeinde den noch zu Grubers Lebzeiten eingereichten Plänen längst zugestimmt hat, einen Steinwurf von der Schönheitsfarm entfernt in einem Wohngebiet ein Seminarhaus zu bauen, in dem Kosmetikerinnen in der Anwendung der Gruber'schen Produkte unterwiesen werden sollen. Das Gebäude ist sogar fast fertig. Dem Holzbau fehlte nur noch die äußerste Hülle, als das Verwaltungsgericht neulich den Baustopp anordnete.

Geklagt hatte ein Mann, der vielleicht kein Anwohner im engeren Sinne ist, dessen Familie aber unter anderem das Nachbarhaus gehört. Der Rechtsstreit ist verworren, auch weil das Landratsamt in Miesbach noch eine zweite, dann ebenfalls beklagte Baugenehmigung ins Spiel gebracht hat. Der Baustopp ist vorläufig, doch bis das endgültige Urteil gesprochen ist, könnte der Gruber-Stiftung mit ihrem unfertigen Haus noch viel Zeit und Geld verloren gehen.

Darum hat sie jüngst öffentlich angekündigt, die vorerst verhinderte Kosmetikschule zur vorübergehenden Unterkunft für rund 50 Flüchtlinge umzubauen, was dann manche im Ort auch schon als Drohung wahrgenommen haben. Doch diese Pläne, so betont der Anwalt der Stiftung, bewahrten nur deren Vermögen und entsprächen dem sozialen Stiftungszweck, die Schwächsten zu schützen. Gruber hat in der Tat viele Projekte großzügig unterstützt. Zumindest sie hätte die jüngsten Ankündigungen ihrer Stiftung womöglich selbst nicht als Drohung interpretiert.

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