Prozessauftakt:Narzisst mit verbotenen Vorlieben

Lesezeit: 3 min

  • Der 52-Jährige soll mehrmals schlafende Frauen missbraucht und heimlich gefilmt haben. Bei Razzien wurden außerdem Kinderpornos entdeckt.
  • Beim Prozess entschuldigte sich Förster. Sein Anwalt räumt die Vorwürfe im Namen des ehemaligen Landtagsabgeordneten größtenteils ein.
  • Geht es nach der Staatsanwaltschaft, kommt Förster um eine Freiheitsstrafe von vier Jahren nicht herum. Der Prozess dauert an.

Aus dem Gericht von Christian Rost, Augsburg

Der sexuelle Missbrauch wehrloser Frauen und der Drang, die Übergriffe auch noch zu filmen, das waren für Linus Förster "Grenzüberschreitungen", um seinen narzisstischen Trieb zu befriedigen. Er suchte nach Bestätigung und lebte dabei seinen Fetisch, die heimliche Filmerei, ohne schlechtes Gewissen aus. Inzwischen bereut der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete die Taten, für die er sich seit Montag am Landgericht Augsburg verantworten muss.

"Es tut mir leid", sagt er, "es war falsch." Es fällt ihm nicht leicht zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass er, der einst erfolgsverwöhnte Politaufsteiger, am Ende so tief gefallen ist: Vom Abgeordneten mit einem monatlichen Salär von mehr als 7000 Euro, der zudem bei Frauen gut ankam, zum Sexualstraftäter, der aller Voraussicht nach noch eine ganze Weile im Gefängnis bleiben muss.

Prozessbeginn
:Linus Förster gesteht vor Gericht sexuellen Missbrauch

Der ehemalige Augsburger SPD-Politiker muss sich außerdem wegen des Besitzes von Kinderpornos verantworten.

In Untersuchungshaft befindet sich der 52-jährige promovierte Politikwissenschaftler bereits seit Dezember vorigen Jahres, weil Fluchtgefahr bestand und er versucht hatte, eine Zeugin zu beeinflussen. Wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht, kommt er - im besten Fall - um eine Freiheitsstrafe von knapp vier Jahren nicht herum. Das wäre sogar eine vergleichsweise milde Strafe, zumal ihm neben dem teils schweren Missbrauch dreier erwachsener Frauen vier weitere Fälle von heimlicher Filmerei beim Sex sowie der Besitz von mehr als 1300 kinderpornografischen Bildern beziehungsweise Videos vorgeworfen werden. Bis zu 15 Jahre Haft kann die für den Fall zuständige Jugendkammer gegen Förster verhängen.

U-Haft ist hartes Brot, und das kann man aus Försters Gesicht herauslesen, als er von Wachtmeistern an der Vorführzange in den großen Verhandlungssaal gebracht wird. Der Blick des Angeklagten, der einst als Frontmann der Band Hopfenstrudel auf der Bühne Party machte, in die vollen Zuhörerreihen am Gericht ist versteinert. Seine Augenringe, schon früher ein Markenzeichen, haben sich noch tiefer eingegraben. Abgesehen von seinen Personalien, die der Vorsitzende Richter abfragt, sagt Förster zunächst nichts. Verlobt ist er und "Landtagsabgeordneter außer Dienst". Kurz vor seiner Festnahme hatte er das Mandat niedergelegt und sein Parteibuch zurückgegeben.

Verteidiger Walter Rubach räumt die Taten im Namen seines Mandaten großteils ein. Demnach missbrauchte er im Jahr 2012 eine Frau, die er während eines Aufenthalts in einer psychosomatischen Klinik am Chiemsee kennen gelernt hatte. Förster hatte sich wegen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung einweisen lassen. Die beiden wurden ein Paar, und einmal, als die Frau bei ihm übernachtete, missbrauchte er sie, nachdem sie ein starkes Schlafmittel eingenommen hatte.

Sie bemerkte, was vor sich ging, konnte sich in ihrem Zustand aber nicht wehren. Den Akt nahm Förster mit einer Videokamera auf. Am nächsten Morgen stellte ihn seine Partnerin zur Rede und sagte ihm, dass sie sein Verhalten als "extrem abartig" empfinde. Dennoch missbrauchte sie Förster wenige Tage später erneut, wieder war die Frau sediert, wieder filmte er dabei. Dass seine Freundin ihm klar zu verstehen gegeben hatte, dass sie das auf keinen Fall wolle, sei bei ihm "nicht angekommen".

Zwei Jahre später verging er sich an einer Ex-Freundin. Bei einer Gartenparty an einem Lagerfeuer begrapschte er die betrunkene und tief schlafende Frau und verschaffte sich damit Befriedigung. Auch diese Tat räumt Förster ein, ebenso, dass er bei einvernehmlichen Sex mit zwei weiteren Frauen heimlich seine Videokamera eingeschaltet hatte. Das sei eine "verrückte Idee gewesen", habe ihm "einen Kick" gegeben, versucht er seine Motivation zu beschreiben. Als ihn der Vorsitzende dann fragt, ob die Filme für ihn so etwas wie Trophäen gewesen seien, meint er: "Das muss man wohl so sehen."

Er sei gelegentlich "zweigleisig" gefahren, sagt Förster

In der 30-seitigen Anklage sind noch weitere Taten aufgeführt: Demnach hatte er auch das Stelldichein mit einer Prostituierten ohne deren Einverständnis filmen wollen; sie zeigte ihn deswegen an, woraufhin die anderen Straftaten ans Licht kamen. Förster gesteht sowohl diese sogenannte Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen wie auch das Treffen mit einer 20-Jährigen zu einem erotischen Foto-Shooting im Wald, bei dem er ebenfalls heimlich filmte. Von sich weist er den Vorwurf, er habe versucht, noch eine weitere betrunkene und schlafende Frau in seiner Wohnung zu missbrauchen. "Das stimmt nicht", sagt Förster, das angebliche Opfer habe ihm nach der gemeinsamen Nacht sogar in einer Nachricht begeistert geschrieben: Selten habe sie so guten Sex gehabt.

Die Sexualität spielt in Försters Leben eine "große Rolle", er habe sie seit Teenagertagen sehr frei ausgelebt und sei gelegentlich auch "zweigleisig" bei den Frauen gefahren. Sex sei die einfachste Weise, Bestätigung zu erhalten, erklärt er. Diese hatte ihm gefehlt, nachdem er 2003 von Augsburg nach München gewechselt war. In Schwaben war er noch eine Nummer als Vorsitzender des Stadtjugendrings. Auf der Oppositionsbank im Landtag dann nicht mehr - ihm fehlte die Anerkennung, die er dann umso mehr im Bett suchte.

Gesammelt hat er aber nicht nur Liebschaften, sondern auch Daten. Auf seinen Computerfestplatten fand die Polizei in einem Wust von elf Millionen Dateien auch solche mit Kinderpornos. Förster bestreitet, sich das Material gezielt beschafft zu haben. Kinderpornos finde er "widerlich", sagt er. Dass er sie dennoch nicht gelöscht hat, kann er sich nicht erklären. "Das ist mir peinlich." Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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