Mitten in Prien:Priener Pläne und das Papst-Problem

Lesezeit: 1 min

In Traunstein steht eine Büste des örtlichen Ehrenbürgers Benedikt XVI. am Stadtplatz. Ein paar Hundert Meter weiter am Landgericht soll im Juni zur Sprache kommen, ob er genügend gegen Missbrauchstaten durch Kirchenmänner unternommen hat. (Foto: Matthias Köpf)

Im Heimatmuseum der Chiemsee-Gemeinde soll in einer Woche eine biografische Ausstellung zu Benedikt XVI. eröffnet werden. Bloß gut, dass der Papst-Prozess im nahen Traunstein rechtzeitig verschoben wurde.

Glosse von Matthias Köpf, Prien

Vom Verschieben verstehen sie eigentlich was in Prien am Chiemsee. Der Priener Turmverschiebung zum Beispiel, einer herausragenden Ingenieursleistung aus dem Jahr 1736, haben sie im Heimatmuseum eine Art Denkmal gesetzt. Ein dort verwahrtes Modell zeigt, wie die Priener damals die gesamte Spitze ihres Kirchturms in luftiger Höhe über eine Plattform vom abzureißenden alten auf den benachbarten neuen Turm gerollt haben. Die Sache ist erstaunlicherweise gut gegangen, und mit einer anderen Verschiebung haben sie in Prien jetzt auch fast ein bisschen zu viel Glück gehabt.

Denn sonst hätten sie Ende März in jenem Heimatmuseum ihre biografische Fotoausstellung über Papst Benedikt XVI. eröffnet, genau zwei Tage nachdem am Landgericht im nur 30 Kilometer entfernten Traunstein über dessen Rolle im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche verhandelt worden wäre.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Diesen Prozess hat aber nun das Landgericht verschoben, weil es noch darauf wartet, dass sich irgendwelche Erben des vor vier Monaten verstorbenen Benedikt finden, die gegebenenfalls an seiner Stelle Schadenersatz an ein Missbrauchsopfer aus Garching an der Alz leisten könnten. Der mutmaßliche Täter war trotz seiner amtskirchenbekannten Pädophilie aus dem Bistum Essen ins Erzbistum München und Freising versetzt und dort weiterhin als Pfarrer in Gemeinden geschickt worden, just als der nachmalige Papst Joseph Ratzinger als Münchner Erzbischof in der Verantwortung stand. Als neuen Termin für die Verhandlung hat das Landgericht jetzt den 20. Juni festgesetzt, und da wäre die Priener Benedikt-Ausstellung ja schon längst wieder vorbei.

Ob das gerade wirklich die richtige Ausstellung ist, das fragen sich rund um Prien jetzt doch einige Leute, die gerade die Einladung zur Eröffnung bekommen haben. Und inzwischen fragen sich das auch jene, die diese Einladung unterzeichnet und verschickt haben. Dass diese mit dem längst heimatmusealen Ratzinger-Zitat "Mein Herz schlägt bayrisch" betitelte Ausstellung wirklich eröffnet wird, das sei zwar sehr wahrscheinlich, aber ganz gewiss sei es nicht, hieß es am Donnerstag aus dem Rathaus. Denn seit all diese einst so sorgfältig vertuschten Fälle aus dem Münchner Missbrauchsgutachten mit Ortsangabe in den Lokalzeitungen ankommen, hat sich im landläufigen Verhältnis zum bayerischen Papst doch einiges verschoben. Auch in Prien.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKirche im Wandel
:"Kein Aufschieben und Vertuschen mehr"

Viola Kohlberger setzt sich energisch für eine radikale Erneuerung der katholischen Kirche ein. Ein Gespräch über machtversessene Männer, massive Einschüchterungsversuche und die Liebe.

Interview von Patrick Wehner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: