Parteitag in Nürnberg:CSU veranstaltet Harmonie-Festspiele für Merkel

Lesezeit: 3 min

  • Die Inszenierung funktioniert: Auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg herrscht Harmonie.
  • Ein Mini-Machtkampf um die fünf CSU-Vizeposten ist abgewendet: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat seine Kandidatur zurückgezogen.
  • Am Samstag soll Horst Seehofer als Parteichef wiedergewählt werden. Außerdem müssen die CSU-Delegierten über etwa 200 Anträge entscheiden.

Von Ingrid Fuchs, Nürnberg

Der Sturm der Liebe tobt in der CSU. "Lieber Horst, wir sind bekannt dafür, dass wir es uns nicht immer einfach gemacht haben in unserem Leben", sagt Angela Merkel auf der Bühne der Nürnberger Messehalle. Die Bundeskanzlerin spricht auf dem Parteitag der CSU. Ein Auftritt, der mit Spannung erwartet worden war - und nun ganz anders abläuft als vor zwei Jahren. Damals musste sich Merkel 13 Minuten lang von Horst Seehofer demütigen und für ihre Flüchtlingspolitik maßregeln lassen. Die anschließende Eiszeit zwischen den beiden Parteichefs dauerte bis vor kurzem an. Heute witzeln sie auf der Bühne darüber.

"Ob Sie es glauben oder nicht, ich freue mich wirklich heute wieder bei Ihnen beim CSU-Parteitag zu sein", sagt Merkel zur Begrüßung. Eine halbe Stunde lang redet sie vor den CSU-Vertretern und spricht dabei viele Themen an, die den Delegierten gut gefallen dürften. Klare Regeln in der Flüchtlingspolitik, Förderung der Wirtschaft, Unterstützung für Familien und immer wieder: wie wichtig die Union ist, "stark sind CDU und CSU besonders immer dann, wenn sie einig sind." Als sie sich mitten in ihrer Rede räuspern muss und eine kurze Pause entsteht, brandet Applaus auf. Spätestens hier ist klar: Mit dem Auftritt vor zwei Jahren ist dieser Besuch nicht vergleichbar. Und als sie dann noch erwähnt, dass sie kurz davor sei, die Platte "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht" aufzulegen, möchte man ihr das fast glauben.

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Die CSU hat sich selbst absolute Geschlossenheit verordnet und hält sich strikt daran. Es geht für die Partei um nicht weniger als die absolute Mehrheit in Bayern, die es kommenden Herbst in Bayern zu verteidigen gilt. Die unter strenger Beobachtung stehende Doppelspitze wirkt, als hätte sie eine Choreografie einstudiert: Von zwei Seiten steuern Seehofer und der designierte Ministerpräsident Markus Söder auf die erste Reihe zu, schütteln sich die Hände, setzen sich in bester Doppelspitzenmanier nebeneinander und lächeln milde ins Blitzlichtgewitter. Ein paar Plätze weiter sitzt Innenminister Joachim Herrmann und blättert in Unterlagen. Bis vor zwei Wochen galt Herrmann vielen in der CSU als potentieller Söder-Verhinderer. Nun ist das Kräfteverhältnis klar: Zuerst stürzen sich alle auf Söder, dann geht es weiter zu Seehofer - und dann kommt lange nichts.

Auch sonst sieht es so aus, als könnte der Traum von der Geschlossenheit den ganzen Parteitag über halten. Der einzige Streit, der sich bereits abgezeichnet hatte, wurde schon vorab beigelegt: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt kandidiert doch nicht als stellvertretender CSU-Vorsitzender. Für die insgesamt fünf Stellvertreterposten hatten sich sechs Kandidaten gemeldet. Nun werden sich am Samstag nur Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, die beiden Europaabgeordneten Angelika Niebler und Manfred Weber, Staatssekretärin Dorothee Bär und die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml zur Wahl stellen. Die Inszenierung steht, die Harmonie bleibt gewahrt.

Schmidt hatte zuletzt durch seine Zustimmung für das Pflanzenschutzmittel Glyphosat in Brüssel für bundesweites Aufsehen und Unmut bei der SPD gesorgt. Mit seiner Absage komme er einer drohenden Niederlage bei einer Kampfabstimmung zuvor, sagen CSU-Vorstandsmitglieder. Die Glyphosat-Gegner, die sich während des Parteitags vor der Nürnberger Messe zum Protest versammelt haben, dürfte diese Entscheidung freuen. Bis die nun vereinbarten Sondierungsgespräche von Union und SPD in Berlin zum Erfolg führen und eine neue Regierung gebildet wird, müssen sie ihn aber wohl weiter als Landwirtschaftsminister aushalten.

Die anstehenden Verhandlungen mit der SPD sind auch der Grund, warum Seehofer auf ein ganz passables Ergebnis bei der Wahl zum CSU-Chef am Samstag hoffen darf. Die Partei brauche ihn in Berlin, heißt es einhellig von den Delegierten. Vor zwei Jahren wurde Seehofer mit 87,2 Prozent gewählt - seinem bis dahin schlechtesten Ergebnis. Diesmal gilt die 80-Prozent-Marke als entscheidend: Alles drüber gilt als passabel bis gut, alles darunter wäre verheerend.

Seehofer selbst gibt sich - zumindest was die CSU als Ganzes betrifft - optimistisch: "Wir sind im Moment dabei, uns aus den Dellen der letzten Monate zu befreien und nach oben zu arbeiten." Der Doppelspitze sei Dank. Es gehe für die CSU darum, die 40-Prozent-Marke zu durchbrechen und "dann können wir uns größeren Zielen zuwenden. (...) Es sieht ja so aus, nach allem was wir an Umfragen haben." Nachdem die CSU bei der Bundestagswahl im September nur 38,8 Prozent erreicht hatte, war sie in Umfragen zwischenzeitlich sogar auf 37 Prozent gefallen. Vor wenigen Tagen erreichte sie erstmals seit Monaten wieder die 40-Prozent-Marke.

Damit kein Missverständnis entsteht: Die CSU-Delegierten beschäftigen sich auf dem Parteitag nicht nur mit der Frage nach Harmonie und dem Auftreten ihrer Spitzenpolitiker. 200 Anträge sollen hier in Nürnberg behandelt werden, zu überwiegend sehr bodenständigen Themen wie Biomasse, Kindertagespflege, Hauswirtschafts-Ausbildungsverordnungen - oder einer Doppelmitgliedschaft in CDU und CSU, die künftig möglich sein soll. Falls an dieser Stelle einige Bayern hellhörig werden und glauben, künftig im Freistaat die CDU wählen zu können: Nein, das geht nicht. Es ist lediglich nicht verboten, in beiden Parteien Mitglied zu sein.

Ob das bei all der wiederentdeckten Zuneigung auch eine Option für Angela Merkel wäre? So weit würde sie vermutlich nicht gehen. Da müssen die CSU-Delegierten ein bisschen länger als zweieinhalb Minuten applaudieren.

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