Radrennbahn in Nürnberg:Ende eines Monuments

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Die historische Radrennbahn in Nürnberg am Reichelsdorfer Keller, erster trauriger Sieger des Abriss-Wettbewerbs. (Foto: Archiv Manfred Marr)

Offenbar haben Arbeiten zum Teilabriss der historischen Radrennbahn in Nürnberg-Reichelsdorf begonnen. Eine Anwaltskanzlei fordert die Stadt auf, die Bagger zu stoppen.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Im Nürnberger Stadtteil Reichelsdorf haben offenbar Arbeiten für den Teilabriss der historischen Radrennbahn begonnen. Das geht aus einem Anwaltsschreiben der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte an die Stadt Nürnberg hervor, in der diese aufgefordert wird, dagegen vorzugehen. Dem Schreiben zufolge bohrten an der historischen Bahn seit Donnerstagvormittag Abrissbagger "Löcher in die Piste". Es seien "Erschütterungen" auch an Häusern in der Nachbarschaft zu spüren, mit den Arbeiteten sei "ohne jegliche vorherige Ankündigung" begonnen worden.

Die Angaben werden vom Vorsitzenden des Bürger- und Geschichtsvereins Reichelsdorfer Keller, Wolfgang Hölzli, bestätigt. Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich zeigt sich dagegen verwundert über das Schreiben. Die Arbeiten markierten keinen Bau-, auch keinen Rodungsbeginn. Es handele sich "ganz simpel um den Abbruch einer Teilfläche im Beton". Dieser sei beantragt und genehmigt worden. Das Denkmal möge dadurch beschädigt werden, illegal sei der Eingriff aber keineswegs.

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Die Kanzlei vertritt das "Denkmalnetz Bayern", das für den Erhalt der Bahn kämpft. Den Denkmalschützern zufolge ist die Radrennbahn Reichelsdorfer Keller "die älteste in Deutschland und ganz Europa noch erhaltene 400m-Beton-Rennbahn" mit einer Kurvenhöhe von sechs Metern. Bereits 1905 fanden auf der Bahn erste Steherrennen statt. Sie gehörte zu den beliebtesten Pisten Deutschlands, die Rennen besuchten bis zu 15 000 Zuschauer. Das letzte Rennen fand 2017 statt. Der Bahn wird eine hohe industrie- und sporthistorische Bedeutung für die ehemalige Fahrradhochburg Nürnberg zugemessen.

Im Dezember 2022 hatte der Stadtrat zugestimmt, dass das Areal weithin mit Wohnungen überbaut werden darf. Die Stadt argumentiert, für die Sanierung der baufälligen Bahn seien elf Millionen Euro notwendig; überdies fänden Steherrennen heute kaum noch statt. Der wohl entscheidende Satz in der Abrissvorlage lautete: "Hat ein Denkmal keine Verwendung mehr und kann nur noch museal genutzt werden, dann kann im Regelfall ein Erhalt aufgrund fehlender Zumutbarkeit von einem privaten Eigentümer nicht gefordert werden." Man erkenne zwar die historische Bedeutung der Bahn. Deren Abriss zu versagen, sei aber "unverhältnismäßig". Zumal viele ein "Nachverdichten" der Stadtlandschaft forderten - und das Areal in Nähe eines S-Bahnhofs künftig nicht bloß als Wohnraum, sondern auch für eine Kindertagesstätte genutzt werden soll. Zudem soll als Reminiszenz ans Denkmal ein Teilstück von der Bahn erhalten bleiben.

Zu Jahresbeginn hatte der Landesverein für Heimatpflege über den "Abriss des Jahres" abstimmen lassen. Ohne, dass dieser bereits vollzogen war, kam die Radrennbahn auf den ersten Rang. Gegen deren Abriss wurden umfangreiche Einwendungen erhoben. Laut Kanzlei Baumann stellten die nun bekannt gewordenen Maßnahmen "bereits Abrissmaßnahmen" dar. Man ersuche daher die Stadt, dagegen einzuschreiten.

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