Nürnberg:Millionen für die Söder-City

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Ein Mann und seine Posen: Markus Söder eröffnet einen Aussichtssturm im Hafen Nürnberg-Roth. (Foto: Daniel Karmann / dpa)
  • Markus Söder wusste den Apparat des Umwelt- und später des Finanzministeriums stets zu nutzen, um sich mit verschiedenen Projekten in Szene zu setzen.
  • Seine Herzensangelegenheit ist die Nürnberger Kaiserburg, für die er für Millionenausgaben für ein Museum und dessen Sanierung sorgte.
  • Weitere Projekte sind zum Beispiel der Nürnberger Flughafen, die Universität oder der Tiergarten.

Von Katja Auer, Claudia Henzler und Olaf Przybilla, Nürnberg

Markus Söder wird nun bayerischer Ministerpräsident, aber dass sein Herz besonders für seine Heimatstadt Nürnberg schlägt, daraus macht er keinen Hehl. Es muss hart genug für ihn sein, dass dort der beliebte SPD-Mann Ulrich Maly regiert, also versuchte er mit seinen Möglichkeiten, den Nürnbergern zu gefallen. Söder hat etliche Projekte angestoßen und umgesetzt, an manchen ist er allerdings gescheitert.

An all den Vorhaben lässt sich sein Politikstil gut beobachten: Er nutzt den Apparat, den er im Rücken hat - zunächst das Umwelt- und später das Finanzministerium mit seiner Schlösserverwaltung - und bringt Dinge in Bewegung. Mitunter ohne lange zu fragen oder gar Details zu kommunizieren und ohne sich über Gebühr um lästige Zuständigkeiten zu kümmern. Spätestens seit Gründung des Heimatministeriums war Söders Zuständigkeit ohnehin quasi unendlich. Die Liste seiner Projekte ist lang und reicht von einer Präzisionsvermessung des Reichsparteitagsgeländes über einen Aussichtsturm im Hafen Nürnberg-Roth bis zur Messe, die ihm immer wieder einen Staatsempfang wert ist. Eine Auswahl:

Faschingskostüme
:Die vielen Gesichter des Markus Söder

Bei der "Fastnacht in Franken" ist der designierte bayerische Ministerpräsident schon als Homer Simpson, Marilyn Monroe oder Edmund Stoiber aufgeschlagen. Diesmal gibt er den Landesvater.

Wöhrder See

Nürnbergs innerstädtisches Erholungsgebiet war lange ein überdimensionierter Drecktümpel. Der Stadtrat hatte den Stausee in den Wiederaufbaujahren anlegen lassen, um die Altstadt vor dem Hochwasser der Pegnitz zu schützen. Wer dort Tretboot fuhr, konnte nur hoffen, nicht hineinzufallen. Im Sommer roch das Wasser erbärmlich, freiwillig baden wollten dort nur Überlebenskämpfer. Seit 2016 ist das anders, was Söder höchstpersönlich vorführte, indem er sich in die Fluten warf und dabei nicht vergaß, einen Videobeweis auf Facebook zu posten.

Keiner sollte übersehen, wem die Nürnberger ihre "Copacabana" - drunter macht's der Minister nicht - zu verdanken haben. Söder hatte das Projekt als Umweltminister 2011 gestartet. In den folgenden Jahren wurde der 52 Hektar große See in einen naturbelassenen Biotopbereich und eine Freizeitlandschaft mit Badebucht und Sandstrand umgestaltet. Freistaat und Stadt hatten die Bürger zuvor eingeladen, sich am Planungsprozess zu beteiligen.

Bei den veranschlagten zehn Millionen Euro blieb es nicht. Allein der Freistaat steckte zwölf Millionen in das Projekt, hinzu kommen Ausgaben der klammen Stadt, die die Ufergestaltung übernahm, dabei aber mit der Rasanz Söders nicht Schritt halten konnte. Die Infrastruktur rund um den See ist weiterhin alles andere als perfekt - Söder nutzt gerne Gelegenheiten, die Verantwortlichen (von der SPD) immer mal dran zu erinnern.

Heimatministerium

Söder ist für seine Leidenschaft für Heimatempfänge, Veranstaltungen zur Übergabe von Förderbescheiden und andere öffentlichkeitswirksame Events bekannt. Da ist ein zweiter Ministeriumssitz praktisch, weil er zwei Mal im Jahr zu einem Neujahrsempfang einladen kann, überdies auch immer wieder mal zum Tag der offenen Tür. Im April 2017 war der Further Drache zu Gast, immerhin der größte Schreitroboter der Welt.

Die Nürnberger Zweigstelle wurde am 20. Februar 2014 eröffnet, für Markus Söder ein "historischer Tag". Erstmals seit der Gründung des Königreichs Bayern 1806 werde Regierungshandeln dauerhaft nicht nur in der Landeshauptstadt stattfinden, schwärmte er: "Nürnberg ist jetzt Mitregierungssitz in Augenhöhe von München." Das muss einem schon die Mietkosten von etwa 600 000 Euro im Jahr wert sein. Eine der Aufgaben des Heimatministeriums ist es, die Verlagerung weiterer Behörden zu koordinieren und entsprechende Erfolgsbilanzen zu verschicken.

Das macht Söder regelmäßig, trotzdem handelt es sich genau genommen um ein Seehofer-Projekt. Ihm ist das Heimatministerium eingefallen. Was für Söder stets ein irrelevantes Detail war: Bei der Vorab-Eröffnung des Hauses ließ er sich allein vorm Ministerium ablichten, sehr zum Missvergnügen Seehofers. 2017 hat das Heimatministerium sein Alleinstellungsmerkmal verloren: Gesundheitsministerin Melanie Huml bezog ihren neuen Nürnberger Dienstsitz. Anders als beim Heimatministerium geht es nicht nur um eine Zweigstelle, die Behörde soll komplett gen Franken verlagert werden. Allerdings schrittweise im Verlauf von zehn Jahren. Bis dahin gibt es Doppelstrukturen, deren Kosten der Steuerzahlerbund auf zehn Millionen Euro schätzt.

Kaiserburg

Die Burg ist Nürnbergs wichtigste Sehenswürdigkeit, war lange aber nur von außen sehenswert. Immer wieder hatten die Nürnberger in München vorgesprochen, um das zu ändern. Es war Georg Fahrenschon, damals Finanzminister und Chef der Schlösserverwaltung, der dem Anliegen 2011 nachgab und 2,8 Millionen Euro für ein neues Museum im Hauptgebäude der Burg bewilligte. Weil Umweltminister Söder auch etwas beitragen und wohl auch bei der Pressekonferenz dabei sein wollte, sagte er 750 000 Euro extra zu, unter anderem für ein Wärmekonzept und die Beleuchtung des Tiefen Brunnens.

Die Burg ist Söders Herzensprojekt, von denen es beim Machtpolitiker Söder nicht viele gibt. Beinahe gerührt war er bei der Eröffnung des Museums 2013, da war er längst Finanzminister und die Investitionssumme auf vier Millionen gewachsen. Man hatte noch den markanten runden Aussichtsturm und die Außenbeleuchtung herrichten und eine ehemalige Wachstube zum Hochzeitszimmer umgestalten lassen, womit er die Stadt ziemlich überrumpelte.

Nürnbergs Standesbeamte jedenfalls hatten vor der Eröffnung nichts vom zusätzlichen Arbeitsplatz gewusst. Diesem ersten Paket folgte ein umfassenderes Umbau- und Sanierungsprogramm für weitere mindestens 21 Millionen Euro: Die halbe Burganlage wird derzeit umgekrempelt, im Vorhof der Festung entstehen unter anderem ein neues Verwaltungsgebäude, ein Café und Räume für Veranstaltungen.

Cadolzburg

Nicht direkt in Nürnberg, aber nah dran, war Söder der Zustand der Cadolzburg im Landkreis Fürth ein Dorn im Auge. Lange Zeit war sie nur eine Brandruine auf einem Felsen aus Sandstein, seit Mitte der Achtzigerjahre hat der Freistaat die beeindruckende Hohenzollernveste wieder aufgebaut und dabei im Laufe der Jahrzehnte 27,5 Millionen Euro investiert. 2007 war erst mal Schluss, für den Innenausbau fehlte das Geld, wie der damalige Finanzminister Kurt Faltlhauser bei einer Feier zum Wiederaufbau verkündete.

2012 überraschte Söder die Schlösserverwaltung mit der Ankündigung, "der Unvollendeten den letzten Schliff" zu geben. Es solle möglichst sofort losgehen, fünf Millionen werde er bereitstellen. Wie die Burg genutzt werden soll, könne man sich während der Bauzeit dann schon noch in Ruhe überlegen. Letztlich wurden statt fünf gut neun Millionen Euro in die Burg gesteckt und 2017 ein Museum eröffnet, welches das Leben im Mittelalter vor allem für Familien mit Kindern anschaulich machen soll.

Im Juni 2017, als der Mietvertrag unterschrieben wurde, erschien Markus Söder in Star-Trek-Uniform. Der Minister hat sich lange damit geschmückt, es sei seine Idee gewesen, einen Ableger des Deutschen Museums nach Nürnberg zu holen. Als die Opposition im Landtag später die intransparente Entscheidungsfindung und die Höhe der Miete kritisierte (mindestens 25 Jahre lang 2,8 Millionen Euro jährlich, zusätzlich zur Anschubfinanzierung von rund 27,5 Millionen Euro), wies das Finanzministerium sicherheitshalber darauf hin, man könne dem Deutschen Museum gar nichts vorschreiben, weil das ja eine eigenständige Einrichtung sei.

Überraschende Argumentation angesichts dessen, dass der Freistaat die Kosten für die neue Zweigstelle alleine zahlt. Tatsächlich hat das Heimatministerium inhaltlich wenig mit dem Museum zu tun, Aufsichtsbehörde ist das Wissenschaftsministerium. Das hatte Söder allerdings nicht davon abgehalten, die Nürnberger Bürger ins Heimatministerium einzuladen, um dort erste Pläne für das Museum zu präsentieren.

Fernsehturm

Wenige Tage vor der Landtagswahl im September 2013 kündigte Söder an, der Nürnberger Fernsehturm, seit 1992 nicht mehr zugänglich, werde bald wieder geöffnet. Bis Weihnachten, so ließ Söder damals wissen, werde er "mögliche Mitstreiter an einen Tisch bringen". Das Ziel sei ein Restaurant mit Rundblick. Und möglichst "eine Ausstellung zu den Themen Internet und Digitalisierung", wobei er als Hauptmitstreiter das Landesamt für Vermessung nannte, das dem Finanzministerium praktischerweise unterstellt ist. Aus der Sache wurde nichts. Die Deutsche Telekom, deren Tochter Deutscher Funkturm das Bauwerk gehört, hatte nämlich überhaupt kein Interesse daran, Millionen in Brandschutz und Renovierung eines Lokals zu stecken, das sich aus ihrer Sicht niemals wirtschaftlich betreiben ließe.

2014 wurde die Idee begraben. Als Ersatz kündigte Söder einen Tag der offenen Tür an. "Wenn das Pilotprojekt erfolgreich ist, dann soll es den Tag jedes Jahr geben", versprach er. Tatsächlich war der Turm im Juni und im September 2015 jeweils für ein Wochenende geöffnet. Pro Wochenende durften 660 Besucher hinauf, wofür das Heimatministerium Kosten von 65 600 Euro verbuchte - unter "Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit". Eine Wiederholung gab es nicht.

Universität

Eigentlich ist Nürnberg ein Universitätsstandort, faktisch aber nur der unbedeutendere Nebenstandort der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg. Weil die Gebäude der Universität dort weit verstreut und zum Teil marode sind, entstand vor einigen Jahren die Idee, einige Lehrstühle nach Nürnberg umzusiedeln und dort zu bündeln. Die drei zuständigen Minister - Finanzminister Markus Söder, Innenminister Joachim Herrmann und Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle - sprachen schon von einem "Garching des Nordens".

Die Idee war, auf dem ehemaligen AEG-Gelände an der Fürther Straße einen Uni-Campus zu schaffen. Nach zwei Jahren blieb von den vollmundigen Ankündigungen nur der bittere Nachgeschmack. Söder hatte sich früh aufs AEG-Areal festgelegt, die Eigentümer der Immobilie nutzen das für kreative Grundstückspreise. Im Dezember 2016 scheiterten die Pläne endgültig. Gleichzeitig stellte Siemens, der Platzhirsch in Erlangen, die geplante Verlagerung grundsätzlich in Frage und soll das auch deutlich kommuniziert haben.

Der Konzern baut gerade einen neuen Technologiecampus für eine halbe Milliarde Euro in Erlangen-Süd, gleich neben der Technischen Fakultät. Im Mai 2017 erklärte Horst Seehofer das Thema plötzlich zur Chefsache und kündigte an, dass Nürnberg als zweitgrößte Stadt Bayerns eine eigene kleine Universität bekommen soll. Die Umsetzung wird sein Nachfolger wohl ebenfalls gerne zur Chefsache machen.

Flughafen

Nürnbergs Flughafen heißt seit Ende 2014 "Albrecht Dürer Airport". Und ja: Keiner wird bestreiten dürfen, dass es Söder war, der dies federführend durchsetzt hat. Zwar unterlief ihm beim Werbefeldzug ein unerheblicher Schönheitsfehler: Söder machte ein Selfie vor einem Dürer-Selbstporträt, das ganz bestimmt nicht vom Meister selbst gemalt worden war. Aber egal. Der Finanzminister ließ für den neuen Namen inklusive Marketingoffensive eine halbe Million Euro springen. Der andere Gesellschafter des Flughafens, die klamme Stadt Nürnberg, hatte für so etwas kein Geld.

Tiergarten

Pressetermine mit Tieren mag Söder. Leider ist der Nürnberger Tiergarten eine rein städtische Angelegenheit, da kann man als Staatsminister selten glänzen. Söder aber fand in seiner Zeit als Umweltminister einen Weg, etliche Millionen Euro in den Zoo zu investieren: Er schlug das leer stehende Obergeschoss des Naturkundehauses im Tiergarten als Standort für ein Bionik-Zentrum vor. Vier Millionen Euro kostete der Ausbau zum sogenannten Bionicum, Schauplatz einer Dauerausstellung.

Zudem hat der Freistaat der Erlanger Uni und der Technischen Hochschule Nürnberg zusammen 3,4 Millionen Euro für die Bionik-Forschung zur Verfügung gestellt. Bei der Eröffnung des Bionicums 2014 musste sich Söder zwar den Fototermin mit seinem Nachfolger Marcel Huber teilen. Den symbolischen Riesenschlüssel hielt aber selbstverständlich Söder fest in Händen.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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