Protest gegen ICE-Werk bei Nürnberg:Auf der Schwelle zur Hysterie

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Das Logo der Deutschen Bahn über dem Haupteingang des Nürnberger Hauptbahnhofs. (Foto: dpa)

Alle sind für Umweltschutz, aber niemand rund um Nürnberg will ein ICE-Werk vor der Tür haben. Am Protest der Bürger beteiligt sich auch der Bund Naturschutz - mit einer unrühmlichen Rolle.

Kommentar von Uwe Ritzer

Natürlich ist es eine Interessenskollision: Für den Klimaschutz per se wichtiger Wald muss gerodet werden, um ein ICE-Werk zu bauen, das dem Klimaschutz mindestens genauso dient. Warum es ausgerechnet am Eisenbahnknotenpunkt Nürnberg entstehen soll, hat die Bahn längst plausibel begründet. Wie sie überhaupt seit vielen Monaten ihre Pläne transparent darstellt, ohne die zweifellos drastischen Eingriffe in die Natur zu verharmlosen.

Trotzdem läuft die Bevölkerung an den drei zur Endauswahl stehenden Standorten Sturm, und bisweilen überschreitet die Rhetorik der Gegner spielend die Schwelle zur Hysterie. Es ist wie überall in Deutschland: Vor allem saturiertes Bürgertum geht auf die Straße, Menschen mit hübschen Häuschen oder Wohnungen im Grünen, für die auch gute, zukunftssichere Industriearbeitsplätze kein Argument (mehr) sind. Sie wollen vor allem eines: ihre Ruhe.

Verkehr in Nürnberg
:Bahn oder Bäume? Heftiger Streit ums ICE-Werk

Im Raum Nürnberg soll ein Instandhaltungswerk entstehen, doch der Protest dagegen ist groß. Zwar gilt der Zugverkehr als klimafreundlich - doch für das Projekt müsste ein Teil des Reichswaldes weichen.

Von Uwe Ritzer

Eine unrühmliche Rolle spielt in Nürnberg der Bund Naturschutz. Jahrzehntelang unverzichtbarer politischer Mahner und gesellschaftlicher Treiber in Sachen Ökologie, mutiert er zum Sprachrohr der Nein-Sager. Die Bahn solle doch anderswo in Süddeutschland suchen, so der scheinheilige Ratschlag. Als würde es in diesem dicht besiedelten und dicht bewaldeten Süddeutschland nicht überall schwierig, die nötigen 45 Hektar zu finden, ohne in die Natur einzugreifen. Zumal das Werk aus nachvollziehbaren Gründen an das Fernverkehrsnetz der Bahn angebunden sein muss.

Statt sich beim Protestpublikum anzubiedern, sollte der BN Rückgrat zeigen. Seit Langem warnt er abstrakt, dass es wirksamen Klimaschutz ohne schmerzhafte Einschnitte nicht geben wird. In seiner täglichen Arbeit verfällt der BN reflexartig in seinen Ablehnungsmodus. Sonst würde er den Menschen in Nürnberg, Feucht, Wendelstein und Allersberg sagen: Wenn man des Klimaschutzes wegen will, dass mehr Menschen mit dem Zug statt mit dem Auto fahren, dann braucht die Bahn ein besseres Angebot und mehr Züge. Und die müssen gewartet werden. Das in Nürnberg zu tun, ist in jeder Hinsicht sinnvoll.

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