Verbot am Wochenende:Nürnberg wappnet sich gegen Anti-Corona-Demo

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Am 3. Januar gab es in Nürnberg bereits eine Anti-Corona-Demonstration. Viele hielten keinen Abstand und trugen keine Masken. (Foto: dpa)

Wieder wollten Gegner der Lockdown-Maßnahmen demonstrieren, doch die Stadt bleibt hart. Zu sehr ist es beim letzten Mal aus dem Ruder gelaufen.

Von Clara Lipkowski, Nürnberg

Im Stundentakt wollten die Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen an diesem Sonntag demonstrieren. Von Mittag bis zum frühen Abend, immer an unterschiedlichen Orten. Die Absicht schien klar zu sein: So hätten die Protestierenden die Stadt Nürnberg erneut für einen Sonntag in Beschlag nehmen können. Und sie hätten beim Wechsel zum nächsten Ort einen kleinen Aufmarsch in Bewegung gesetzt. Mitten im Lockdown. Die Schlagzeilen wären ihnen sicher gewesen. Nun ist die Stadt ihnen zuvor gekommen.

Denn die Bilder vom 3. Januar haben viele in Nürnberg noch vor Augen: Hunderte Demonstranten auf dem Nürnberger Hauptmarkt, viele von ihnen ohne Maske und ohne Abstand. Mit Plakaten, die an Nazisymbolik erinnerten. Mit Rufen, man wolle keine Diktatur. Es gab aber auch Familien, Trommeln und tanzende Leute. Heiteres Gegen-Auflagen-Verstoßen bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von knapp 300? Die Kritik folgte prompt - aus der Politik, von Aktionsbündnissen, aus den sozialen Medien. Ein Chefarzt des Fürther Klinikums sprach auf dem Onlineportal nordbayern.de von einem "Faustschlag ins Gesicht jedes Klinikmitarbeiters." Das Klinikum meldete kürzlich, dass alle Corona-Intensivbetten belegt und Stationen gar überbelegt waren.

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An jenem Sonntag hatte sich die Stadt Nürnberg noch kompromissbereit gezeigt. Sie verwies auf den hohen Wert des Versammlungsrechts auch in Zeiten des Lockdowns. Sie erlaubte 200 Leute für maximal 60 Minuten auf dem Hauptmarkt. Und sie überließ der Polizei die Entscheidung, vor Ort Spontandemos zuzulassen. Diese Kompromissbereitschaft ist aufgebraucht: Die neu angekündigten Anti-Coronademos wurden verboten, Spontandemos per Allgemeinverfügung untersagt.

Dazu trug auch bei, dass die Organisatoren - Privatleute aus dem Umfeld von Corona-Leugnern und sogenannten Querdenkern - ihre Demos in sozialen Medien unmissverständlich beworben hatten: "03.01. reloaded, Söder wir kommen wieder". Das weise auf "ein Muster" hin und lasse erwarten, dass die Versammlungen "ähnlich aus dem Ruder laufen könnten", sagte Stadtrechtsdirektor Olaf Kuch. Auch Oberbürgermeister Marcus König (CSU) wurde deutlich: "Zu einer Demokratie gehört es, Widerspruch zu ermöglichen und auch auszuhalten. Demokratie ist tolerant - aber nicht dumm."

Demonstrierende hatten am 3. Januar eine zweite Demo als Spontanversammlung erwirkt, offiziell ging es dabei gegen polizeiliche Willkür, doch dass dort weitgehend die gleichen Menschen wie zuvor am Hauptmarkt vor allem gegen Anti-Corona-Maßnahmen aufliefen, wurde nachher als Quasi-Freifahrtschein gewertet, einfach weiter zu protestieren.

Der Polizei könnte das Verbot zupass kommen

Demos zu verbieten, ist kompliziert. Die Sache kann noch kurzfristig vor Gericht landen, wenn Organisatoren einen entsprechenden Antrag stellen. Doch bei der Stadt wägt man sich offenbar auf der sicheren Seite. Stadtrechtsdirektor Kuch drückt es so aus: "Man lernt hinzu, anders geht es nicht." Die Entscheidung sei mit Blick auf das letzte Mal getroffen worden: Es liege nahe, dass Auflagen wieder missachtet würden. Damit will die Stadt im Fall der Fälle das Gericht überzeugen.

Der Polizei könnte das Verbot zupass kommen. Nach dem 3. Januar war ihr Einsatz kritisiert worden. Daraufhin erneuerte die Gewerkschaft der Polizei Bayern ihre Forderung, im Lockdown alle Demos zu untersagen. "Dann kann die Polizei aufgrund der klaren Rechtslage konsequent und rechtskonform einschreiten", sagte Landesvorsitzender Peter Pytlik. "Nicht die Einsatztaktik der Polizei ist das Problem", unter anderem 50 Platzverweise sprächen "eine deutliche Sprache".

Kritik am Vorgehen der Polizei übte etwa Verena Osgyan, Grünen-Landtagsabgeordnete aus Nürnberg. Angesichts der vielen Verstöße gegen den Infektionsschutz hätte die Polizei die Versammlung auflösen müssen, statt nur per Megafon zu mahnen und letztlich zuzusehen, sagte sie. Mit der Chefin der Landtagsfraktion, Katharina Schulze, hat sie eine Anfrage gestellt, um das Verhalten der Polizei zu klären. Das Demo-Verbot der Stadt nennt sie eine "drastische Kehrtwende", aber in diesem Fall "legitim" und "gerechtfertigt", der drohenden Eskalation wegen. Trotzdem müsse nun ein Konzept her, von Innenministerium und Polizei, wie mit solchen Demos umgegangen werde.

Unterdessen rumort es in den Chatforen der Demo-Sympathisanten. Warum man nicht einfach trotzdem nach Nürnberg fahre, fragen einige, nur zum "Spazierengehen". Ein Mann hatte eine Ausweichdemo im nahe gelegenen Stein angemeldet. Doch auch da hat die Stadt reagiert und die Versammlung am späten Donnerstagabend verboten - laut einem Sprecher des Landratsamts Fürth auch wegen der Erfahrungen in Nürnberg. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Entscheidung des Landratsamts noch am Freitag bestätigt.

Und es wird in den Foren weiter diskutiert, ob, wie und wo man sich treffe. Dass es einige durchaus auf Konflikte mit der Polizei anlegen, zeigen Aufrufe, den Ausweis zu Hause zu lassen, um es der Polizei zu erschweren, Personalien festzustellen. Die hat angekündigt, die Einhaltung der Demonstrationsverbote am Sonntag zu überwachen.

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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