Museum der bayerischen Geschichte:Der Duft des Kini

In drei Jahren eröffnet in Regensburg das Museum der bayerischen Geschichte. Die Planer haben bereits einige skurrile Schauobjekte zusammengetragen.

Von Stefan Mayr

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

Als Horst Seehofer 2008 quasi aus dem Nichts per Regierungserklärung ein Museum der bayerischen Geschichte ankündigte, kratzte sich mancher Historiker am Kopf und fragte sich: Ein staatliches Museum einfach so aus dem Boden stampfen? Was soll denn da ausgestellt werden? Lange Zeit galt das Projekt als Museum ohne Konzept und ohne Exponate. Heute, drei Jahre vor der Eröffnung 2018 zum 100. Geburtstag des Freistaats, haben die Planer aus dem Haus der bayerischen Geschichte in Augsburg schon mehr als 1000 Stücke zusammengekratzt. Einiges stammt aus anderen Museen, vieles wurde von Privatleuten zur Verfügung gestellt. So manches Teil wird in dem Neubau am Regensburger Donauufer erstmals ausgestellt - und eine spannende Geschichte erzählen. Wie die Wanzen von Soldaten des ersten Weltkriegs oder das dampfbetriebene "Lokomobil". Um 1880: Der königliche Flacon König Ludwig II., den eitlen Pinkel, bekam nur ein Mensch unfrisiert zu sehen: sein Friseur. Der Kini war auch stets von einer wuchtigen Parfümwolke umgeben. Sein bevorzugter Duft, das weiß die Nachwelt aus Aufzeichnungen von Kaiserin Elisabeth, war "Chypre". Eine süßliche Note, die sich Ludwig von einem Parfumeur - natürlich aus Köln - mischen ließ und die bis heute bekannt ist. Historikerin Caroline Wolf zeigt den goldenen Deckel des Flacons, in den eine Krone und ein geschwungenes doppeltes L eingraviert sind - die Initialen des Königs. Man wird ihn im Museum dann auch riechen können.

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

1886: Das Modell Burg Falkenstein Dieses Modell stellt - vermutlich - die Burg Falkenstein dar, die König Ludwig II. bei Pfronten im Allgäu hochziehen wollte. Anno 1884 hatte er hierfür eine Burgruine erworben, die zu einem zweiten Neuschwanstein oder auch zu einer Raubritterburg ausgebaut werden sollte. Doch Ludwig starb 1886 vor Umsetzung der Pläne. Das Modell ist einen Meter breit, 1,18 Meter hoch und besteht aus Holz, Pappe, Gips und Baumrinde. Es stammt vom Kunstmaler Hermann Josef Lorch (1860 - 1946), der die Schlösser Herrenchiemsee und Neuschwanstein mitgestaltete.

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

Um 1900: Der Totenkopf-Krug Ein ungewöhnlich düsteres Zeugnis der bayerischen Wirtshauskultur. Der Arzt Dr. Albert Gäch (1852-1926) ließ in seinem Schwarzacher Stammwirtshaus Wittmann-Venus sein Bier stets in einem Krug servieren, der auf den ersten Blick wie ein echter Totenkopf aussieht. Gäch gehörte von 1899 bis 1904 dem Bayerischen Landtag an und war Politiker des radikalen Flügels des Bayerischen Bauernbundes. "Er hat sich immer einen Schnitt einschenken lassen, damit das Bier nicht so schnell lack wird", erzählt Caroline Wolf. Der halbvolle Krug hatte in der Wirtsstube bald seinen eigenen Namen: Die "Doktor-Hoiwe".

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

1918: Wanzen, Flöhe und Läuse Bei diesem Exponat geht Elisabeth Handle-Schubert auf Abstand. "Bin ich froh, wenn das Zeug endlich hinter der Glasvitrine verschwindet", sagt sie und schleicht in die Raumecke. Kollegin Caroline Wolf ist mutiger. Mit weißen Handschuhen entfaltet sie das winzige Papier-Briefchen, auf dem in Sütterlin geschrieben steht: "Wanzen, Flöhe u. Läuse, erbeutet im Herbst-Feldzuge in Serbien 1918." Gefangen wurde das zierliche und inzwischen getrocknete Getier von Versorgungsoffizier Paul Zenetti - auf Soldatenkörpern. Der Professor für Naturwissenschaften am königlichen Lyceum in Dillingen führte über seine Kriegs-Erlebnisse Tagebuch und machte Fotos. Seine Enkelin übergab den Landeshistorikern 27 Fotoalben - und den Umschlag mit dem Ungeziefer.

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

1921: Das Dampf-Lokomobil Als es noch keine Bulldogs gab in Bayern, als die Bauern noch auf Pferde oder Ochsen oder auf ihre eigenen Hände und Füße angewiesen waren, tüftelten die Menschen Maschinen aus, die die Arbeit der Landwirte erleichtern sollten. Zum Beispiel das "fahrbare Patent-Sattdampf-Hochdruck-Lokomobile", das 1921 in der Werkstatt der Firma Heinrich Lanz erbaut wurde. Es wird das größte Exponat sein: Sechs Meter lang, vier Meter hoch und fünf Tonnen schwer. Maximalleistung 32 PS. Das Gerät kam vor allem beim Dreschen zum Einsatz und wurde von Ochsen- und Pferdegespannen von Hof zu Hof gezogen.

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

1945: Der US-Pinup-Koffer Die Amis. Sie brachten Kaugummis, Baseballschläger und Feinstrumpfhosen nach Bayern. Und die Pin-Up-Girls. Ein besonderes Exemplar hinterließ Lieutenant C.G. Collins auf dem Hof der Familie Träger in Rudendorf (Kreis Haßberge). Eines Tages fanden die Trägers auf ihrem Dachboden eine Holzkiste mit Ledergriff und Eisenverschluss. Vor dem Aufklappen erwarteten sie im Innern ein knallhartes Waffenarsenal. Zum Vorschein kam aber eine weichgezeichnete Schönheit, die der Infanterist in den Deckel gemalt hatte. "Wahrscheinlich hatte er Wehmut nach seinem Mädchen", sagt Caroline Wolf.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

1972: Der bunte Hund Nein, den Begriff Merchandising kannten die Besucher der Olympischen Spiele in München im Jahr 1972 noch nicht. Aber den bunten Maskottchen-Dackel Waldi, den haben sie gekauft wie die Verrückten. Neben dem bunten Hund wird es auch andere bunte Mitbringsel zu sehen geben wie Tragetaschen und Kissenbezüge. Eine Mitarbeiterin von damals hat ihre Kleidung aufgehoben - sogar die Schuhe.

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

2009: Der letzte Quelle-Katalog Ein trauriges Stück bayerischer Wirtschaftsgeschichte: Quelle (gegründet 1927 in Fürth) galt in den 1970er Jahren als größtes europäisches Versandhaus. Der Quelle-Katalog lag über Generationen hinweg mindestens in jedem zweiten Wohnzimmer herum. Bis 2009. Der Winter-Katalog 2009/2010 war der letzte seiner Art, ein 1347 Seiten starker Nachruf ans Home-Shopping per Bestellzettel. Am 19. Oktober 2009 wurde das Versandhaus Quelle aufgelöst - und so die Katalogbestellung endgültig vom Internet abgelöst.

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(Foto: Museum der bayerischen Geschichte)

2014: Das Lampedusa-Kreuz Aus dem Holz gekenterter Flüchtlingsboote fertigt der Italiener Francesco Tuccio Kreuze. Eines davon rückte der Münchner Kardinal Reinhard Marx im September 2014 am Caritassonntag in den Mittelpunkt seines Gottesdienstes im Liebfrauendom. Als Symbol für das Schicksal Tausender Flüchtlinge und als Zeichen gegen die Gleichgültigkeit, vor der auch Papst Franziskus auf seiner Reise nach Lampedusa 2013 gewarnt hat. 2018: Der Hingucker zum Abschied Das Museum der Bayerischen Geschichte wird sich der Zeit von 1818 bis in die Gegenwart widmen. Dabei sollen Menschen im Mittelpunkt stehen - vom König Ludwig II. über den einfachen Soldaten bis zum Gastarbeiter. "Wir verzichten bewusst auf die Einteilung in die klassischen Epochen, sondern erzählen Geschichten anhand von acht Generationen", kündigt die Koordinatorin Elisabeth Handle-Schubert. Die Dauerausstellung (2500 Quadratmeter) wird chronologisch mit 30 "Bühnen" bespielt. Zusätzlich gibt es "Kulturräume", in denen einzelne Themen zeitübergreifend behandelt werden: Feste, Architektur, Glauben, Kunst, Theater, Natur, Sport und Sprache. "Da kann man zum Beispiel spielerisch Dialekte ausprobieren", sagt Handle-Schubert. Endgültig abgeschlossen ist die Planung der Ausstellung noch nicht. Die Macherinnen nehmen nach wie vor weitere Objekte entgegen. Bürger, die Erinnerungsstücke zur Verfügung stellen wollen, können sich unter museum@hdbg.bayern.de oder der Telefonnummer 0821/3295-0 melden. Die letzte Bühne des Museums wird die Gegenwart repräsentieren. "Das wird wirklich ein Höhepunkt", sagt Handle-Schubert und lächelt. Was sie genau plant? Ein High-Tech-Gerät wird die Besucher verabschieden. Mehr verrät sie noch nicht. Das HdBG zeigt im Besucherzentrum Welterbe Regensburg bis 21. Juni eine kleine "Vorschau-Ausstellung" (Im Salzstadel, Weiße-Lamm-Gasse 1).

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